Paulus-Pilgerweg
Paulus-Pilgerweg






 

Die Via Appia. Der Paulus-Pilgerweg.

 

Borgo Faiti, das antike Forum Appii

"Wir liefen in Syrakus ein und blieben drei Tage; von dort fuhren wir die Küste entlang weiter und erreichten Rhegion. Nach einem Tag setzte Südwind ein, und so kamen wir in zwei Tagen nach Puteoli. Hier trafen wir Brüder; sie baten uns, sieben Tage bei ihnen zu bleiben. Und so kamen wir nach Rom. Von dort waren uns die Brüder, die von uns gehört hatten, bis Forum Appii und Tres Tabernae entgegengereist. Als Paulus sie sah, dankte er Gott und fasste Mut." (Apg. 28, 12-15)

Pozzuoli, das antike Puteoli - Hafen

Der Paulus-Pilgerweg folgt den Spuren des Völkerapostels auf seinem letzten Weg nach Rom. Nach seiner Ankunft in Puteoli (heute: Pozzuoli bei Neapel) reiste er auf einer der bedeutendsten Strassen der europäischen Geschichte, der Via Appia, in die Ewige Stadt. Wenn wir heute die Via Appia benutzen, um nach Rom zu pilgern, treten wir also in die Fußstapfen des hl. Paulus. Unser Pilgerweg hat eine Länge von 230 km und endet dort, wo der irdische Weg des Apostels endete - an seinem Grab an der Via Ostiense in Rom!

Wem der gesamte Weg zu lang ist, dem empfehlen wir, als Ausgangspunkt für seine Pilgerreise das Örtchen Faiti, das antike Forum Appii, zu wählen. Bis hierher kamen römische Christen dem hl. Paulus entgegen, um ihn in die Hauptstadt zu begleiten. Heute befindet sich über den Ruinen der antiken Strassenherberge ein komfortables Kongresshotel (Info: www.foroappiohotel.it ). Von hier aus sind es 72,8 Kilometer nach Rom!

Ein ausführlicher Bericht über den Paulus-Pilgerweg von Michael Hesemann erschien am 10. Mai 2008 in der "Tagespost":  

http://www.die-tagespost.com/Archiv/titel_anzeige.asp?ID=40091

 

Rom. Stätte des Martyriums.

 

Rom, Porta S. Paolo 

In der Ewigen Stadt begegnen uns auf Schritt und Tritt Spuren des Völkerapostels. Hier die wichtigsten Stationen:

 

Chiesa San Paolo alla Regola

(Piazza di S. Paolo alla Regola, Ecke Via del Conservatorio).

Die Kirche, die seit 1086 urkundlich bezeugt ist, erhebt sich der Tradition zufolge über den Grundmauern der römischen Wohnung des hl. Paulus, die schon in der Apostelgeschichte erwähnt wird. Tatsächlich befanden sich hier Lagerhäuser aus dem 1. Jahrhundert. Zumindest könnte Paulus hier in einer "Scheune" (wie es die Acta Pauli überliefern) in der Nähe zum jüdischen Ghetto gelehrt haben. Denn noch eine zweite Kirche erhebt den Anspruch, über der Wohnung des Apostels errichtet worden zu sein:

Chiesa S. Maria in Via Lata

(Via del Corso, Ecke Via Lata)

Die Ursprünge der schönen Barockkirche mit dem wunderwirkenden Marienbild gehen zurück bis ins 6. Jahrhundert. Unter ihrem Eingangsbereich liegt das unterirdische Oratorium, bei dem es sich um die römische Wohnung des hl. Paulus und seines Bewachers, des Centurios Martialis, gehandelt haben soll. Noch heute wird die Säule, an der er angeblich gekettet war, verehrt, in einem Brunnen soll er getauft haben.

 

Mamertinum

(Forum Romanum)

Das einstige Staatsgefängnis des antiken Roms. Der Tradition nach wurden Petrus und Paulus hier vor ihrer Hinrichtung gefangen gehalten. Hier sollen sie ihre Mitgefangenen getauft haben.

 

Abbazia delle Tre Fontane

(Via delle Acque Salvie).

Die Stätte der Hinrichtung des hl. Paulus, der als römischer Bürger geköpft wurde. Der Legende nach schlug der Kopf dreifach auf, als er den Hang hinunterrollte; jedesmal entsprang eine Quelle. In der Kirche wird heute noch die Säule gezeigt, an die der Apostel bei seiner Enthauptung gefesselt war.

 

Basilica S. Paolo Fuori le Mura

(St. Paul vor den Mauern; Via Ostiense 186).

Eine der vier päpstlichen Basiliken Roms; von Kaiser Konstantin dem Großen 324 über dem historischen Paulus-Grab errichtet. Nach dem Brand 1823 wieder aufgebaut. Hier finden die Feierlichkeiten zum Paulusjahr statt. Am 28. Juni 2008 öffneten Papst Benedikt XVI. und der griechisch-orthodoxe Patriarch Bartholomaios I. die "Porta Paulina", das Paulustor geöffnet, und entzündeten die "Paulusflamme", die das ganze Jahr über brennen soll.

Weitere Paulusstätten in Rom:

San Pietro in Vaticano

Jede Pilgerreise beginnt traditionell »Ad limina apostolorum«, denn die beiden Apostel wurden seit jeher gemeinsam verehrt.

Santa Maria del Popolo

Das berühmte Bild von Caravaggio "Die Bekehrung auf dem Weg nach Damaskus" ist hier zu sehen.

Santa Maria in Trastevere

Die Kirche diente im Heiligen Jahr 1525 als Ersatz für die vom Tiber überschwemmte Basilika St. Paul vor den Mauern; das Hauptportal diente dabei als Heilige Pforte.

Basilica San Cosma e Damiano

Hier ist ein Apsismosaik zu sehen, in dem die hll. Petrus und Paulus die Zwillinge Cosmas und Damian zu Christus führen.

Santa Pudenziana

Einst verkehrten Petrus und Paulus im Haus des Senators Pudens, tauften ihn, seine Frau und seine beiden Töchter. Die Basilika enthält eines der wertvollsten Apsismosaike, ein Hauptwerk der antiken Mosaikkunst. Christus wird lehrend dargestellt; neben ihm die Apostelfürsten Petrus und Paulus bekränzt von Personifikationen der Heiden- und Judenchristenkirche.

Santa Prassede

Schwesterkirche von San Pudenziana, die nach dem Vorbild von Alt-St. Peter erbaut wurde. Auf diesem Grundstück soll die Paulus-Schülerin und Senatorentochter Praxedis frühchristliche Märtyrer bestattet haben. In der Kirche befindet sich ein wunderbares Apsismosaik, in dem Christus umgeben von 6 Heiligenfiguren dargestellt wird - unter anderem die hll. Apostelfürsten Petrus und Paulus.

Basilica San Giovanni in Laterano

In der Lateranbasilika, »der Mutter und dem Haupt aller Kirchen der Stadt Rom und des Erdkreises«, werden seit 1367 die Häupter der hl. Apostelfürsten Petrus & Paulus in einem Ziborium über dem Papstaltar aufbewahrt und als Reliquien verehrt.

San Sebastiano alle Catacombe

Sie war ursprünglich als »Basilica Apostolorum« den hll. Petrus und Paulus geweiht, dei hier einst "gewohnt" haben sollen. Ob damit eine Zufluchtstätte während der neronischen Verfolgung oder ein Versteck für ihre Reliquien gemeint ist, bleibt unter den Gelehrten umstritten.

Porta San Paolo

Ein Stadttor der Aurelianischen Stadtmauer  ist der Ausgangspunkt der Via Ostiense, in der die Basilika St. Paul vor den Mauern liegt.

Santa Maria Regina delle Apostoli

Die Basilika wird von der St.- Paul-Gemeinschaft betreut, einer vom sel. Giacomo Alberione 1914 gegründeten religiösen Gemeinschaft, die sich verschrieben hat, das Evangelium mit den modernen Mitteln der sozialen Kommunikation zu verkünden.

 

 

 

 

Der Paulus-Pilgerweg
Jakobsweg war gestern, meint der Historiker und Autor Michael Hesemann. Zum Paulusjahr 2008/9 braucht die Christenheit einen neuen Pilgerweg
auf den Spuren des Völkerapostels. Sein Vorteil: Er ist historisch bezeugt und verläuft entlang der antiken Via Appia, der Kulturstraße Europas

Bei aller Sympathie für die Renaissance mittelalterlicher Traditionen, bei allem Respekt vor seiner Bedeutung als europäische Kulturstraße und bei aller Bewunderung für jene, die auf ihm Wind, Wetter und Wadenkrämpfen trotzen, fällt es mir schwer, die unbequeme Wahrheit auszusprechen: Mit absoluter Sicherheit ist der heilige Jakobus nie den Jakobsweg gegangen! Der Zabadäus-Sohn und Bruder des Evangelisten Johannes war nie auf der iberischen Halbinsel. Er wurde im Frühjahr 42 n.Chr. auf Befehl König Herodes Agrippas I. in Jerusalem geköpft. Allenfalls gelangten seine Reliquien im 7. Jahrhundert auf abenteuerlichen Wegen nach Spanien, wo Santiago de Compostela im 8. Jahrhundert zum Symbol für die Reconquista und der so friedliche Apostel zum „Maurentöter“ wurde. So war die Pilgerfahrt zum „wahren Jakob“ zunächst einmal eine Demonstration für das christliche Europa. Und das war und ist auch gut so.

Eine 230 Kilometer lange Strecke

Doch die Jakobsweg-Euphorie darf uns nicht vergessen lassen, dass zu allen Zeiten noch viel mehr Europäer zu den Apostelgräbern nach Rom wallten. Zu Recht, denn die Wirkungsstätten von Petrus und Paulus sind historisch bezeugt. Beide erlitten am Tiber ihr Martyrium. Petrus wurde am Hang des vatikanischen Hügels, Paulus an der Straße nach Ostia begraben, wie schon im 2. Jahrhundert der ortskundige Priester Gaius wusste. Da ist es an der Zeit, auch die Pilgerwege nach Rom neu zu entdecken. Die Infrastruktur ist in Italien mindestens ebenso gut wie in Nordspanien, die Landschaft bezaubernd, das Ziel verlockend. Warum also nicht eine Alternative zum Jakobsweg, einen Pilgerweg auf den Spuren der Apostel offerieren, zumal zum Paulusjahr 2008/2009?

Eine Strecke böte sich ganz besonders an, die authentisch, kulturgeschichtlich bedeutsam und auch für den Nicht-Extremsportler begehbar ist. Sie folgt dem Weg, den der Völkerapostel Paulus im Frühjahr des Jahres 60 nach Rom nahm. Sein Verlauf ist bekannt: Er wird in der Apostelgeschichte detailreich beschrieben.

Der „Paulus-Pilgerweg“, wie ich ihn nennen möchte, ist rund 230 Kilometer lang und führt von Pozzuoli (dem antiken Puteoli) bei Neapel nach Rom. Ein Großteil seiner Strecke folgt dem Verlauf der antiken Via Appia – der Kulturstraße Europas schlechthin. Ob durch Paulus im Frühjahr 60 oder bereits durch Petrus im Sommer 42, wie die römische Tradition behauptet: sicher ist, dass auf diesem Weg das Christentum in die Hauptstadt der antiken Welt kam.

Dem Römerbrief entnehmen wir, dass Paulus schon lange plante, die Christen der Metropole zu besuchen. Als er zu Pfingsten 57 n.Chr. bei Unruhen im Tempel von Jerusalem festgenommen wurde, bot sich ihm dazu die Möglichkeit. Als römischer Bürger hatte er das Recht, an den Kaiser zu appellieren und seinen Fall vor ein Gericht in der Hauptstadt zu bringen. Trotzdem zögerte der Statthalter Antonius Felix, ihn nach Rom überführen zu lassen; er erhoffte sich stattdessen ein Bestechungsgeld aus den Händen des Apostels oder seiner Anhänger. Erst als er von dem sehr viel fähigeren Prokurator Porcius Festus abgelöst wurde, kam der Prozess wieder ins Rollen. Nur wenige Wochen nach seiner Amtseinführung schickte er Paulus, bewacht durch einen römischen Offizier, nach Rom. Doch die Schiffsreise war alles andere als einfach. Zuerst wartete man wochenlang auf günstige Winde, dann geriet das alexandrinische Kornschiff, auf dem man reiste, in einen Sturm. Paulus und seine Begleiter erlitten vor der Küste Maltas Schiffbruch, mussten notgedrungen auf der Mittelmeerinsel überwintern. Erst Anfang Februar 60, als das Wetter besser wurde und die Winde günstig wehten, war ein anderer Weizentransporter bereit, sie über Syrakus und Rhegium (das kalabrische Reggio) nach Puteoli mitzunehmen.

Bevor Kaiser Nero Ostia ausbauen ließ, war Puteoli der Hafen schlechthin für Rom. Seine ausgedehnte Hafenanlage bestand aus einem gigantischen Wellenbrecher von sechzehn Metern Breite und 372 Metern Länge, einem Leuchtturm und einem Triumphbogen. Hier legten die alexandrinischen Kornschiffe an, deren Fracht die Hauptstadt mit Weizen aus Ägypten versorgte. „Die Volksmenge steht auf dem Hafendamm“, schilderte Neros Lehrer Seneca ihre langerwartete Ankunft zu Beginn der Schifffahrtssaison im Februar. „Sie findet aus der größten Menge von Schiffen die alexandrinischen heraus, nur aufgrund ihrer Takelage... Willkommen ist ihr Anblick in Kampanien.“ Die Einheimischen müssen auch dem Weizentransporter, auf dem der Apostel reiste, einen begeisterten Empfang bereitet haben.

Der Anblick des Vesuvs signalisierte Paulus schon aus weiter Ferne, wie nah er seinem Ziel war. Noch ahnte niemand, dass der Vulkan neunzehn Jahre später ausbrechen und die Städte Pompeji und Herkulaneum unter seiner Lava und Asche begraben würde. Doch schon lange kochte und brodelte es in der Region. Puteoli, von Griechen aus Samos 530 v. Chr. unter dem Namen Dikaearchia („Gerechte Regierung“) gegründet, verdankte seinen lateinischen Namen dem fauligen Geruch (puteo) seines schwefelhaltigen Wassers. Das benachbarte Baia, benannt nach einem Gefährten des Odysseus, war berühmt für seine heißen Quellen.

Durch seinen Hafen zog Puteoli Händler und Handwerker aus dem ganzen Mittelmeerraum an, die Glas, Terrakotta, Parfüm, Textilien und Farbstoffe herstellten. Auch Kupfer und Bronze wurde hier kunstvoll verarbeitet. Puteolis prächtiges Amphitheater mit 20 000 Plätzen, heute die wichtigste archäologische Attraktion der Stadt, wurde unter Nero begonnen und unter Vespasian. fertiggestellt. Das Macellum, der Stadtmarkt, dessen Ruinen noch heute beeindrucken, stand dagegen schon zu Zeiten des Apostels. In seiner unmittelbaren Nähe befand sich ein marmorverkleideter Tempel des ägyptischen Gottes Serapis, der von Mitgliedern der Alexandrinischen Kolonie verehrt wurde. Es gab eine jüdische Gemeinde und, wie die Apostelgeschichte ausdrücklich vermerkt, auch schon Christen in Puteoli: „Hier trafen wir Brüder, sie baten uns, sieben Tage bei ihnen zu bleiben.“ (Apg 28,14) Der Centurio wird Paulus nach der überstandenen Seereise diese Gnadenfrist gewährt haben, vielleicht weil er selber den Aufenthalt in der Hafenstadt genoss.

Heute ist Pozzuoli nur noch ein unbedeutendes Fischerstädtchen. Seine Altstadt kann wegen seismischer Bodenerhebungen nicht mehr betreten werden, es besteht Erdrutschgefahr. Nach wie vor liegt ein fauliger Geruch in der Luft, doch der Grund dafür ist, dass die städtische Müllabfuhr seit Monaten streikt. An den Besuch des Völkerapostels erinnern gerade mal ein Gedenkstein, ein Relief und eine Marmortafel am alten Hafendamm, neben der Kirche Santa Maria della Grazie. Immerhin hat Papst Johannes Paul II. der Stelle bei einem Pastoralbesuch 1990 seine Referenz erwiesen.

Die Königin der Straßen

Nach einer Woche in Puteoli brachen Paulus und seine Begleiter nach Rom auf. Der Weg dorthin führte zunächst auf die Via Capena, die sich bald mit der Via Appia traf, dem berühmtesten aller Wege, die in die Ewige Stadt führten. Der Bau der Königin der Straßen, wie man sie nannte, war schon 312 v. Chr. von dem Zensor Appius begonnen worden. Zwei Pferdefuhrwerke hatten auf ihr nebeneinander Platz, und trotzdem war sie ständig verstopft.

Jeder Ort, den wir auf unserem Pilgerweg passieren, atmet Geschichte. Da wäre Santa Maria Cápua Vetere, das antike Capua, wo der Sklavenaufstand unter Spartakus 73 v. Chr. ausbrach. Heute ist seine wichtigste Sehenswürdigkeit das zweitgrößte antike Amphitheater nach dem Kolosseum in Rom. Es folgt Minturno mit seinem beeindruckenden Ausgrabungsgelände. Oder Formia, eine antike Hafenstadt am Golf von Gaeta, die in römischer Zeit ein beliebter Badeort war. Sie fand Eingang in die Geschichtsbücher, als hier 73 v.Chr. Cicero ermordet wurde. Fondi liegt inmitten eines fruchtbaren, wasserreichen Tals. Sein Aufstieg begann mit dem Bau der Via Appia. Seine Bewohner erhielten römisches Bürgerrecht, ausgedehnte Thermen wurden gebaut. Heute ist seine Hauptattraktion das imposante Schloss aus dem 14. Jahrhundert, das auf einem Abschnitt der antiken Stadtmauer errichtet wurde. In Terracina passiert die Via Appia ein letztes Mal die Küste. Der malerische Hafenort wird vom St. Michaels-Felsen überragt, auf dem sich die Ruinen eines antiken Jupitertempels erheben.

Schiffer und gierige Gastwirte

Ein paar Kilometer hinter Terracina beginnt der Decennovium-Kanal, den Kaiser Augustus anlegen ließ, um die pontinischen Sümpfe auszutrocknen. Rund dreißig Kilometer weit, bis zum Forum des Appius, verlief er parallel zur Straße. Bis dahin konnten sich Reisende auf Booten fortbewegen, die an Land von Mauleseln gezogen wurden. Der römische Dichter Horaz beschreibt uns, wie er den selben Weg in umgekehrte Richtung zurücklegte. Auf dem Fährschiff wollte er eigentlich schlafen, wurde aber durch einen verdorbenen Magen, quakende Frösche, angriffslustige Mücken und einen unaufhörlich singenden Fährmann beständig daran gehindert. Auch Forum Appii kommt bei ihm nicht allzu gut weg; von Schiffern und geldgierigen Gastwirten habe es dort nur so gewimmelt. Trotzdem, so berichtet die Apostelgeschichte, haben es sich römische Christen nicht nehmen lassen, Paulus bis hierher entgegenzureisen.

Das Städtchen Faiti liegt 72,8 Kilometer vor den Toren Roms. Wem der gesamte Weg zu lang ist, dem empfehle ich, hier seine Wallfahrt zu beginnen. Ich hatte von einem alten Zollhaus gehört, das noch heute die Aufschrift Foro Appio tragen soll und einer römischen Inschrift aus der Zeit des Kaisers Nerva, der hier eine Brücke erneuern ließ. Doch was ich stattdessen vorfand, überraschte mich nicht wenig. Das „Zollhaus“, das ursprünglich von Papst Pius VI. (1775–1799) als Pilgerhospiz errichtet worden war, wurde in den letzten Jahren zu einem komfortablen, modernen Viersterne-Tagungshotel ausgebaut, das 2004 eröffnete. Im Hof erklärt der Hotelbesitzer mit dem wohlklingenden Namen Dr. Paolo Galante die Überreste des römischen Forums. An den Wänden sind Scherben befestigt – sie gehörten zum Geschirr der antiken Taverne, in der auch Paulus einst übernachtet haben muss.

Nur fünfzehn Kilometer hinter Faiti gab es gleich drei antike Raststätten, die man Tres Tabernae, „Drei Tavernen“, nannte. Obwohl auch Cicero sie erwähnt, ist ihre genaue Lage nach wie vor ungewiss. Wahrscheinlich befanden sie sich aber fünf Kilometer südlich der heutigen Ortschaft Cisterna, wo man die Reste von drei antiken Brunnenanlagen fand. Hier wurde Paulus so warmherzig empfangen, dass er gleich neuen Mut schöpfte (Apg 28,15). Nach einem weiteren Tagesmarsch, auf dem er die Albaner Berge und die Landgüter des römischen Adels passierte, lag endlich die Ewige Stadt vor ihm, der Ort, an dem sein irdisches Wirken seine Vollendung fand.

Neben der Basilika St. Paul vor den Mauern mit dem Apostelgrab, die im Zentrum der Feierlichkeiten zum Paulusjahr steht, finden sich in Rom noch weitere Spuren des Völkerapostels.

Apostelspuren in Rom

So erwähnt die Apostelgeschichte, dass es ihm erlaubt wurde, eine eigene Wohnung zu beziehen, während er auf seinen Prozess wartete. Er musste allerdings weiterhin Ketten tragen und stand unter ständiger Bewachung durch einen Soldaten. Das entsprach römischer Rechtspraxis, denn das öffentliche Gefängnis galt „Männern von gesellschaftlichem Rang“ (so Ulpian) als unzumutbar. Die „leichte Haft“ in custodia militaris erlaubte dem Gefangenen, Besuch zu empfangen und sogar das Haus zu verlassen, solange der Wachsoldat die Ketten trug. So konnte Paulus in seiner Wohnung zwei Jahre lang ungehindert das Reich Gottes verkünden (Apg 28,30–31) und sich mit Vertretern der Juden und der jungen Christengemeinde treffen. Gleich zwei Kirchen erheben den Anspruch, über dieser Unterkunft errichtet worden zu sein.

Eine davon ist für mich eine liebgewonnene Bekannte. Wenn man von der Piazza Venezia auf die Via del Corso, die Zentralachse der römischen Altstadt, kommt, liegt sie auf der linken Seite. Sie ist fast ganztägig geöffnet und lädt zum Gebet oder zur Eucharistischen Anbetung ein. Die opulente Barockkirche trägt den Namen S. Maria in Via Lata und ist benannt nach ihrem wunderwirkenden Marienbild. Ihre Ursprünge reichen zurück in die früheste Zeit, ihr Name wurde erstmals im 6. Jahrhundert urkundlich erwähnt. Unter ihrem Eingangsbereich befindet sich ein subterranes Oratorium, dessen Fresken Szenen aus dem letzten Kapitel der Apostelgeschichte zeigen. Hier soll sich die Wohnung befunden haben, in der Paulus zusammen mit seinem Bewacher, dem Centurio Martialis, lebte. Eine Säule gilt als jene, an die der Apostel gekettet war, in einem Brunnen soll er getauft haben. Kritiker führen diese Identifikation allerdings auf eine Legende aus dem 11.Jahrhundert zurück. Zur Zeit des Apostels habe sich hier eine Markthalle befunden. Dass es darin neben Läden und Dienststuben auch Wohnungen gab, kann natürlich nicht ausgeschlossen werden.

Trotzdem suche ich weiter. In Tibernähe, unweit der modernen Synagoge und des mittelalterlichen Ghettos von Rom, liegt die Kirche S. Paolo a la Regola. In ihrer heutigen Gestalt stammt sie aus dem späten 17. Jahrhundert, doch ihr Vorläuferbau wird bereits in einer Urkunde aus dem Jahre 1096 genannt. Heute ist das Heiligtum verschlossen. Ich klingle an der Tür eines benachbarten Ordenshauses. Ein junger Franziskaner-Tertiar aus Südamerika öffnet und ist bereit, die Kirche zu zeigen. Er erzählt, dass sie seit zehn Jahren renoviert würde. Immer wieder käme es zu Verzögerungen, weil die Stadt Rom angeblich kein Geld hat. Dann zeigt er das Marmorportal, über dem in Stein gemeißelt steht: DIVI PAULI APOSTOLI HOSPITIUM ET SCHOLA: „Wohn- und Lehrstätte des hl. Apostels Paulus“. Fünf Stufen führen hinab in das mosaikgeschmückte Oratorium. Die Nähe zum jüdischen Ghetto am Tiberufer spricht für diese Tradition. Hier hätte Paulus Kontakte zu seinen römischen Glaubensgenossen unterhalten können, während er nach wie vor in Reichweite der römischen Justiz blieb.

Doch der Pilgerweg auf den Spuren des hl. Paulus endet nicht an den letzten Wirkungsstätten, die in der Apostelgeschichte Erwähnung fanden. Sein letzter Weg, ein gut erhaltenes Stück römischer Straße, befindet sich auf dem Gelände der Abtei von Tre Fontane im Südosten von Rom. Hier soll nach römischer Tradition der Völkerapostel hingerichtet worden sein. Eine Säule wird als jene verehrt, an die er dabei gefesselt war. Drei Quellen entsprangen, so heißt es, als sein abgeschlagenes Haupt dreimal aufschlug. Sie sind längst ausgetrocknet. Nur die Quelle seiner Inspiration sprudelt munter weiter.

(Quelle: DIE TAGESPOST, 10. Mai 2008)

 





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