BXVI. Katechesen II
BXVI. Katechesen II






 

Papst Benedikt XVI.:

Katechesen zum Paulusjahr

Teil II.  (25.Sept.-8. Okt. .2008)

 

"Die Kirche ist der Ort, an dem Paulus Jesus kennen lernt"

Katechese während der Generalaudienz am 8. Oktober 2008

"Liebe Brüder und Schwestern!


In den letzten Katechesen zum heiligen Paulus habe ich über seine Begegnung mit dem auferstandenen Christus gesprochen, die sein Leben zutiefst verändert hat, und dann über seine Beziehung zu den zwölf von Jesus berufenen Aposteln – besonders zu Jakobus, Kephas und Johannes – sowie über sein Verhältnis zur Kirche von Jerusalem. Es bleibt jetzt die Frage, was der heilige Paulus über den irdischen Jesus wusste, über dessen Leben, Lehren und Leiden.

Bevor wir in diese Frage eintreten, kann es nützlich sein, sich daran zu erinnern, dass der heilige Paulus selbst zwei Arten der Kenntnis Jesu, und im allgemeineren Sinn zwei Arten der Kenntnis eines Menschen unterscheidet. Er schreibt im Zweiten Brief an die Korinther: „Also schätzen wir von jetzt an niemand mehr nur nach menschlichen Maßstäben ein; auch wenn wir früher Christus nach menschlichen Maßstäben eingeschätzt haben, jetzt schätzen wir ihn nicht mehr so ein“ [„Daher kennen wir von nun an niemand nach dem Fleische; wenn wir aber auch Christus nach dem Fleische gekannt haben, so kennen wir ihn doch jetzt nicht mehr also“] (5,16).

„Nach dem Fleische“ kennen, auf fleischliche Weise, will besagen, nur auf äußere Weise, unter äußeren Kriterien zu kennen: Man kann einen Menschen mehrere Male gesehen haben und deshalb seine Charakterzüge und die verschiedenen Details seines Verhaltens kennen: wie er spricht, wie er sich bewegt usw. Wenn man ihn auch auf diese Weise kennt, so kennt man ihn doch nicht wirklich; man kennt den Kern des Menschen nicht. Nur mit dem Herzen kennt man wahrhaft einen Menschen.

In der Tat haben die Pharisäer und Sadduzäer Jesus äußerlich gekannt: Sie haben seine Lehre gehört, viele Details über ihn gewusst, aber sie haben ihn nicht in seiner Wahrheit gekannt. Eine ähnliche Unterscheidung findet sich in einem Worte Jesu. Vor der Verklärung fragte er die Apostel: „Für wen halten mich die Leute?“, und: „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“. Die Leute kennen ihn, aber oberflächlich; sie wissen verschiedene Dinge von ihm, aber sie haben ihn nicht wirklich gekannt. Die Zwölf hingegen haben dank der Freundschaft, die das Herz auf den Plan ruft, wenigstens im Wesentlichen verstanden und begonnen zu erkennen, wer Jesus ist.

Auch heute gibt es diese verschiedenen Arten von Kenntnis: Es gibt gelehrte Menschen, die Jesus in vielen seiner Details kennen, und einfache Menschen, die nichts von diesen Details wissen, ihn aber in seiner Wahrheit erkannt haben: „Das Herz spricht zum Herzen“. Und Paulus will im Wesentlichen sagen, dass er Jesus so kennt, mit dem Herzen, dass er auf diese Weise das Wesen der Person in ihrer Wahrheit kennt; und dass er dann, in einem zweiten Moment, dessen Details kennt.

Nun stellt sich dennoch die Frage: Was wusste der heilige Paulus vom konkreten Leben, von den Worten, vom Leiden, von den Wundern Jesu? Es scheint gesichert zu sein, dass er ihm zu Lebzeiten nie begegnet ist. Durch die Apostel und die entstehende Kirche hat er sicher auch Details aus dem Erdenleben Jesu gekannt. In seinen Briefen können wir drei Formen der Bezugnahme auf den vorösterlichen Jesus finden. Als erstes sind da explizite und direkte Erwähnungen.

Paulus spricht von der davidischen Abstammung Jesu (vgl. Röm 1,3); er weiß um seine „Brüder“ oder Blutsverwandten (1 Kor 9,5; Gal 1,19); er kennt den Ablauf des Letzten Abendmahls (vgl. 1 Kor 11,23); er kennt auch andere Worte Jesu, zum Beispiel jene zur Unauflöslichkeit der Ehe (vgl. 1 Kor 7,10 bzw. Mk 10,11.12), zur Notwendigkeit, dass der Lebensunterhalt dessen, der das Evangelium verkündet, von der Gemeinde getragen wird als der eines Arbeiters, der ein Recht auf Lohn hat ( vgl. 1 Kor 9,14 bzw. Lk 10,7). Paulus kennt die Worte, die Jesus beim Letzten Abendmahl gesprochen hat (vgl. 1 Kor 11,24-25 bzw. Lk 22,19-20), und er kennt auch das Kreuz Jesu. Das alles sind direkte Bezugnahmen auf Worte und Tatsachen aus dem Leben Jesu.

An zweiter Stelle können wir in einigen Sätzen der Paulusbriefe verschiedene Anspielungen auf die von den synoptischen Evangelien bezeugte Überlieferung ausmachen. Zum Beispiel ließen sich die Worte, die wir im ersten Brief an die Thessalonicher lesen, nach denen „der Tag des Herrn kommt wie ein Dieb in der Nacht“ (5,2), nicht mit einem Verweis auf die alttestamentlichen Prophezeiungen erklären, da sich der Vergleich des Diebes in der Nacht nur im Evangelium des Matthäus und Lukas findet und somit gerade der synoptischen Tradition entnommen ist.

Wenn wir dann lesen, dass „Gott das Törichte in der Welt erwählt hat…“ (1 Kor 1,27-28), so ist das treue Echo der Lehre Jesu über die Einfachen und die Armen herauszuhören (vgl. Mt 5,3; 11,25; 19,30). Dann gibt es da die Worte, die Jesus in messianischer Freude ausgesprochen hat: „Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hast.“ Paulus weiß – und das ist seine missionarische Erfahrung –, wie wahr diese Worte sind, dass also gerade das Herz der Einfachen für die Erkenntnis Jesu offen ist. Auch der Hinweis auf den Gehorsam Jesu „bis zum Tod“, der in Phil 2,8 zu lesen ist, beabsichtigt nichts anderes, als die völlig Bereitschaft des irdischen Jesus in Erinnerung zu rufen, den Willen seines Vaters zu tun (vgl. Mk 3,35; Joh 4,34).

Paulus also kennt das Leiden Jesu, sein Kreuz, die Art, in der er die letzten Augenblicke seines Lebens verbracht hat. Das Kreuz Jesu und die Überlieferung zu diesem Ereignis des Kreuzes stehen im Mittelpunkt des paulinischen Kerygmas.

Eine weitere Säule des Lebens Jesu, von der der heilige Paulus Kenntnis hat, ist die Bergpredigt, aus der er einige Elemente fast wortwörtlich zitiert, wenn er an die Römer schreibt: „Liebt einander… Segnet jene, die euch verfolgen… Lebt in Frieden mit allen… Besiege das Böse durch das Gute…“ In seinen Briefen findet sich somit ein getreuer Widerschein der Bergpredigt (vgl. Mt 5-7).

Schließlich kann eine dritte Art der Gegenwart der Worte Jesu in den Briefen des Paulus ausgemacht werden. Dies ist der Fall, wenn er eine Art Übertragung der vorösterlichen Tradition auf die Situation nach Ostern vornimmt. Ein typischer Fall ist das Thema des Reiches Gottes. Es steht gewiss im Mittelpunkt der Verkündigung des historischen Jesus (vgl. Mt 3,2; Mk 1,15; Lk 4,43). In Paulus kann eine Übertragung dieser Thematik festgestellt werden, da es nach der Auferstehung offensichtlich ist, dass Jesus in Person – der Auferstandene – das Reich Gottes ist. Das Reich kommt somit dort an, wo Jesus ankommt. Und so verwandelt sich notwendigerweise das Thema des Reiches Gottes, in dem das Geheimnis Jesus vorweggenommen worden war, in Christologie. Nichtsdestoweniger gelten hinsichtlich der Rechtfertigung durch den Glauben dieselben Bestimmungen, die Jesus für den Eingang in das Reich Gottes fordert, genau so für Paulus: Sowohl das Eingehen in das Reich als auch die Rechtfertigung erfordern eine Haltung großer Demut und Bereitwilligkeit, die frei von Vermessenheit ist, um die Gnade Gottes anzunehmen. Das Gleichnis vom Pharisäer und dem Zöllner (vgl. Lk 18,9-14) erteilt eine Lehre, die genau so bei Paulus zu finden ist, wenn er auf dem gebührenden Ausschluss jeglicher Eitelkeit gegenüber Gott besteht. Auch der Satz Jesu über die Zöllner und die Dirnen, die bereiter sind als die Pharisäer, das Evangelium anzunehmen (vgl. Mt 21,31; Lk 7,36-50), und seine Entscheidung, den Tisch mit ihnen zu teilen (vgl. Mt 9,10-13; Lk 15,1-2), finden vollen Widerhall in der Lehre des Paulus über die barmherzige Liebe Gottes zu den Sündern (vgl. Röm 5,8-10 und auch Eph 2,3-5). So wird das Thema des Reichs Gottes in neuer Form vorgebracht, aber stets in völliger Treue zur Überlieferung des historischen Jesus.

Ein weiteres Beispiel für die getreue Umwandlung des von Jesus beabsichtigten lehrmäßigen Kerns findet sich in den „Titeln“, die auf ihn bezogen werden. Vor Ostern gibt er sich selbst als Menschensohn zu erkennen; nach Ostern wird es deutlich, dass der Menschensohn auch der Sohn Gottes ist. Daher ist der von Paulus für Jesus bevorzugte Titel Kýrios, „Herr“ (vgl. Phil 2,9-11), der auf die Göttlichkeit Jesu verweist. Jesus, der Herr, erscheint mit diesem Titel im vollen Licht der Auferstehung. Auf dem Ölberg, im Augenblick der äußersten Angst Jesu (vgl. Mk 14,36), hatten die Jünger, bevor sie einschliefen, gehört, wie er mit dem Vater sprach und ihn „Abba – Vater“ nannte. Es ist dies ein sehr familiäres Wort, das unserem „Papa“ gleichkommt und nur von Kindern in Gemeinschaft mit ihrem Vater benutzt wird. Bis zu jenem Augenblick war es undenkbar, dass ein Jude ein derartiges Wort benutzte, um sich an Gott zu wenden; Jesus aber, da er der wahre Sohn ist, spricht in dieser Stunde der Vertrautheit so und sagt: „Abba, Vater.“ In den Briefen des heiligen Paulus an die Römer und an die Galater erscheint dieses Wort „Abba“, das die Ausschließlichkeit der Sohnschaft Jesu zum Ausdruck bringt, auf den Lippen der Getauften (vgl. Röm 8,15; Gal 4,6), da sie den „Geist des Sohnes“ empfangen haben und jetzt in sich diesen Geist tragen und so sprechen können wie Jesus und mit Jesus als wahre Kinder mit ihrem Vater, sie können „Abba“ sagen, weil sie Kinder im Sohn geworden sind.

Und schließlich möchte ich die Heil bringende Dimension des Todes Jesu andeuten, die wir in jenem Wort des Evangeliums finden, nach dem „der Menschensohn nicht gekommen ist, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele“ (Mk 10,45; Mt 20,28). Der getreue Widerschein dieses Wortes Jesu tritt in der Lehre des Paulus vom Tod Jesu als Lösegeld (vgl. 1 Kor 6,20), als Erlösung (vgl. Röm 3,24), als Befreiung (vgl. Gal 5,1) und als Versöhnung (vgl. Röm 5.10: 2 Kor 5,18-20) hervor. Hier findet sich die Mitte der paulinischen Theologie, die in diesem Worte Jesu gründet.

Abschließend ist zu sagen, dass der heilige Paulus nicht als Historiker an Jesus denkt, so als wäre er eine Person der Vergangenheit. Gewiss kennt er die große Überlieferung über das Leben, die Worte und die Auferstehung Jesu, aber er behandelt dies alles nicht als Teil der Vergangenheit; er stellt es als Wirklichkeit des lebendigen Jesu vor.

Die Worte und Taten Jesu gehören für Paulus nicht zur historischen Zeit, zur Vergangenheit. Jesus lebt jetzt und spricht jetzt mit uns, und er lebt für uns. Das ist die wahre Weise, Jesus zu kennen und die Überlieferung über ihn anzunehmen. Auch wir müssen lernen, Jesus nicht dem Fleisch nach zu kennen, als eine Person der Vergangenheit, sondern als unseren Herrn und Bruder, der heute mit uns ist und uns zeigt, wie man leben und sterben soll.

(deutsche Zusammenfassung:)

Liebe Brüder und Schwestern! 

In der heutigen Katechese über den heiligen Paulus möchte ich der Frage seines Verhältnisses zu Jesus von Nazareth, zum so genannten historischen Jesus nachgehen. Paulus hat Jesus, den er während seines öffentlichen Wirkens wohl nie getroffen hat, vor seiner Begegnung mit dem Auferstandenen nach menschlichen Maßstäben eingeschätzt (vgl. 2 Kor 5,16) und für einen gewöhnlichen Menschen gehalten. Im Grunde hat er Jesus dann durch die erste Christengemeinde, das heißt durch Vermittlung der Kirche, näher kennen gelernt.

In seiner Verkündigung bezieht sich der Apostel auf dreierlei Weise auf die Gestalt des Jesus von Nazareth. Zum einen finden sich ausdrückliche und direkte Hinweise auf das irdische Leben Christi. Paulus zitiert auch Jesu eigene Worte, zum Beispiel die Worte des Letzten Abendmahls. Zum anderen können wir in den Paulusbriefen verschiedene Anspielungen auf die von den synoptischen Evangelien bezeugte Tradition ausfindig machen, wenn dabei auch nicht explizit auf den Herrn Bezug genommen wird.

Schließlich gibt es wichtige inhaltliche Übereinstimmungen und Gleichklänge zwischen dem Denken des Paulus und der Verkündigung Jesu – auch dort, wo der Apostel nicht direkt auf Jesus verweist oder Unterschiede in Sprache und Ausdruck vorhanden sind. Denken wir hier an die Themen des Reiches Gottes, der barmherzigen Liebe Gottes gegenüber den Sündern oder des Heils durch den Kreuzestod Jesu. Vor allem aber ist die Person Jesu für Paulus nicht eine Gestalt der Geschichte; Jesus Christus ist für ihn das Leben unseres eigenen Lebens, hier und jetzt."

 

"Liebe zu den Armen und göttliche Liturgie gehen zusammen"

Kathechese während der Generalaudienz am 1. Oktober 2008

"Liebe Brüder und Schwestern!

Die Achtung und Verehrung, die Paulus den Zwölfen immer entgegengebracht hat, werden nicht geringer, als er voller Aufrichtigkeit die Wahrheit des Evangeliums verteidigt, die nichts anderes ist als Jesus Christus, der Herr. Heute wollen wir uns mit zwei Episoden beschäftigen, die die Verehrung und gleichzeitig die Freiheit offenbaren, mit der sich der Apostel an Kephas und die anderen Apostel wendet: mit dem so genannte Konzil von Jerusalem und mit dem Zwischenfall in Antiochia in Syrien, die im Brief an die Galater wiedergegeben sind (vgl. 2,1-10; 2,11-14).

Jedes Konzil und jede Synode der Kirche ist ein „Ereignis des Geistes“ und trägt in seiner Verwirklichung die Erfordernisse des ganzen Gottesvolkes: Das haben jene am eigenen Leib erfahren, denen das Geschenk zuteil wurde, am II. Vatikanischen Konzil teilzunehmen. Während uns der heilige Lukas über das erste Konzil der Kirche informiert, das in Jerusalem stattfand, führt er so den Brief ein, den die Apostel zu diesem Anlass an die christlichen Gemeinden der Diaspora sandten: „Denn der Heilige Geist und wir haben beschlossen…“ (Apg 15,28). Der Geist, der in der ganzen Kirche wirkt, führt die Apostel bei der Hand, während sie neue Wege einschlagen, um seine Pläne zu verwirklichen: Er ist der vornehmliche Urheber der Erbauung der Kirche.

Und dennoch fand die Versammlung von Jerusalem in einem Augenblick nicht geringer Spannung innerhalb der anfänglichen Gemeinschaft statt. Es ging darum, auf die Frage eine Antwort zu finden, ob von den Heiden, die sich zu Jesus Christus, dem Herrn, bekannten, die Beschneidung gefordert werden sollte, oder ob es zulässig sei, sie vom mosaischen Gesetz zu befreien, das heißt von der Beachtung der Normen, die notwendig sind, um rechtschaffene und gesetzestreue Menschen zu sein. Dabei handelte es sich vor allem um die Befreiung von den Normen, die die rituellen Reinigungen, die reinen und unreinen Speisen und den Sabbat betrafen.

Über die Versammlung von Jerusalem berichtet auch der heilige Paulus in Gal 2,1-10: 14 Jahre nach der Begegnung mit dem Auferstandenen in Damaskus – wir sind in der zweiten Hälfte der 40er-Jahre nach Christus – bricht Paulus zusammen mit Barnabas von Antiochia in Syrien auf und lässt sich von seinem treuen Mitarbeiter Titus begleiten, der trotz seiner griechischen Abstammung nicht gezwungen worden war, sich beschneiden zu lassen, um in der Kirche Eingang zu finden. Bei dieser Gelegenheit erklärt Paulus den Zwölfen, die als die „Angesehenen“ bezeichnet werden, sein Evangelium der Freiheit vom Gesetz (vgl. Gal 2,6).

Im Licht der Begegnung mit dem auferstandenen Christus hatte er verstanden, dass in dem Augenblick, in dem die Heiden zum Evangelium Jesu Christi übertreten, die Beschneidung, die Regeln hinsichtlich der Speisen und des Sabbats nicht mehr als Zeichen der Gerechtigkeit notwendig waren: Christus ist unsere Gerechtigkeit, und „recht“ ist all das, was ihm gleichgestaltig ist. Andere Zeichen sind nicht notwendig, um gerecht zu sein.

Im Brief an die Galater gibt er in wenigen Sätzen den Ablauf der Versammlung wieder: Voller Begeisterung ruft er ins Gedächtnis, dass das Evangelium der Freiheit vom Gesetz von Jakobus, Kephas und Johannes gebilligt wurde, von den „Säulen“, die ihm und Barnabas die Hand zum Zeichen der kirchlichen Gemeinschaft in Christus gaben (vgl. Gal 2,9).

Wenn, wie wir bemerkt haben, für Lukas das Konzil von Jerusalem das Wirken des Heiligen Geistes zum Ausdruck bringt, so repräsentiert es für Paulus die entschiedene Anerkennung der Freiheit, die von all jenen geteilt wurde, die daran teilnahmen: eine Freiheit von den Verpflichtungen, die aus der Beschneidung und dem Gesetz herrührten; jene Freiheit, zu der „uns Christus befreit hat“, damit wir uns nicht von neuem das Joch der Knechtschaft auflegen lassen (vgl. Gal 5,1).

Den beiden Weisen, wie Paulus und Lukas die Versammlung von Jerusalem beschreiben, ist das befreiende Wirken des Heiligen Geistes gemein, denn: „Wo der Geist des Herrn wirkt, da ist Freiheit“, wie Paulus im zweiten Brief an die Korinther schreiben word (vgl. 3,17).

Wie mit großer Klarheit in den Briefen des heiligen Paulus hervortritt, ist die christliche Freiheit dennoch nicht mit der Ausschweifung oder der Willkür gleichzusetzen, das zu tun, was man will. Sie verwirklicht sich in der Angleichung an Christus und daher im wahren Dienst an den Brüdern, vor allem an den Bedürftigsten. Deswegen schließt der Bericht des Paulus über die Versammlung mit der Erinnerung an die Ermahnung: „Nur sollten wir an ihre Armen denken; und das zu tun, habe ich mich eifrig bemüht“ (Gal 2,10).

Jedes Konzil entsteht aus der Kirche und kehrt in die Kirche zurück: Bei jener Gelegenheit kehrt es mit der Aufmerksamkeit gegenüber den Armen zurück, die laut den verschiedenen Anmerkungen des Paulus in seinen Briefen vor allem jene der Kirche von Jerusalem sind. In der Sorge um die Armen, die insbesondere im zweiten Brief an die Korinther (vgl. 8,9) und im Schlusskapitel des Briefes an die Römer (Röm 15) verbürgt ist, beweist Paulus seine Treue gegenüber den Beschlüssen, die während der Versammlung herangereift sind.

Vielleicht sind wir nicht mehr imstande, die Bedeutung voll zu erfassen, die Paulus und seine Gemeinden dem Hilfswerk für die Armen von Jerusalem beimaßen. Es handelte sich um eine im Panorama der religiösen Aktivitäten völlig neue Initiative: Sie war nicht obligatorisch, sondern frei und spontan. An ihre beteiligten sich alle von Paulus im Westen gegründeten Kirchen.

Das Hilfswerk brachte die Verpflichtung seiner Gemeinden gegenüber der Mutterkirche Palästinas zum Ausdruck, von der sie das unfassbare Geschenk des Evangeliums empfangen hatten. So groß ist der Wert, den Paulus dieser Geste des gemeinsamen Teilens beimisst, dass er sie selten einfachhin „Hilfswerk“ nennt. Für ihn ist sie vielmehr „Dienst“, „Segen“, „Liebe“, „Gnade“, ja, mehr noch: „Dienst an Gott“, das heißt Liturgie (Vgl. 2 Kor 9). Besonders überraschend ist der letzte Ausdruck, der der Sammlung von Geld auch einen kultischen Wert zuweist: Einerseits ist sie liturgischer Gestus oder „Dienst“, den jede Gemeinde an Gott tut, und andererseits ist sie eine Handlung der Liebe, die zum Wohl des Volkes getan wird.

Liebe zu den Armen und göttliche Liturgie gehen zusammen; die Liebe zu den Armen ist Liturgie. Diese beiden Horizonte sind in jeder Liturgie gegenwärtig, die in der Kirche gefeiert und gelebt wird, die sich ihrem Wesen nach der Trennung zwischen Kult und Leben, zwischen dem Glauben und den Werken, dem Gebet und der Liebe zu den Brüdern widersetzt. So kommt es zum Konzil von Jerusalem, um die Frage hinsichtlich der Heiden zu beantworten, die zum Glauben kamen; dabei entscheidet es sich für die Freiheit von der Beschneidung sowie von den Observanzen, die das Gesetz auferlegt, und es endet mit der kirchlichen und pastoralen Erfordernis, die den Glauben an Christus Jesus und die Liebe zu den Armen von Jerusalem und der ganzen Kirche in den Mittelpunkt stellt.

Die zweite Episode ist der bekannte Zwischenfall in Antiochia in Syrien, der die innere Freiheit des Paulus beweist: Wie sollte man sich anlässlich der Tischgemeinschaft zwischen aus dem Judentum und dem Heidentum stämmigen Gläubigen verhalten? Hier tritt das andere Epizentrum der Befolgung des mosaischen Gesetzes hervor: die Unterscheidung zwischen reinen und unreinen Speisen, die die Juden von den Heiden trennte. Anfänglich aß Kephas/Petrus mit den einen wie den anderen; mit der Ankunft von einigen Christen, die an Jakobus, den „Bruder des Herrn“ (Gal 1,19), gebunden waren, hatte Petrus begonnen, bei Tisch die Kontakte mit den Heiden zu vermeiden, damit jene nicht daran Anstoß nahmen, die weiterhin die Reinheitsgebote hinsichtlich der Speisen einhielten; und die Entscheidung war von Barnabas geteilt worden. Diese Entscheidung spaltete zutiefst die Christen, die aus der Beschneidung gekommen waren, und die Heidenchristen. Dieses Verhalten, das wirklich eine Bedrohung für die Einheit und Freiheit der Kirche darstellte, erregte eine heftige Reaktion bei Paulus, der Petrus und die anderen der Heuchelei bezichtigte. „Wenn du als Jude nach Art der Heiden und nicht nach Art der Juden lebst, wie kannst du dann die Heiden zwingen, wie Juden zu leben?“ (Gal 2,14).

Bei Paulus einerseits und bei Petrus und Barnabas andererseits handelte es sich in Wirklichkeit um verschiedene Sorgen: Für letztere stellte die Trennung von den Heiden einen Weg dar, die aus dem Judentum stämmigen Gläubigen zu schützen und sie nicht Anstoß nehmen zu lassen. Für Paulus hingegen war sie eine Gefahr des falschen Verständnisses des universalen Heils in Christus, das sowohl den Heiden als auch den Juden angeboten ist. Wenn die Rechtfertigung nur durch den Glauben an Christus, durch die Gleichförmigkeit mit ihm ohne jegliches Werk des Gesetzes verwirklicht wird, welchen Sinn hat es da noch, auf die Reinheit der Speisen beim gemeinsamen Mahl zu achten? Sehr wahrscheinlich unterschieden sich die Perspektiven des Petrus und des Paulus: der erste wollte nicht die Juden verlieren, die zum Evangelium gekommen waren; der zweite wollte nicht den Heil bringenden Wert des Todes Christi für alle Gläubigen herabmindern.

Es hört sich seltsam an, aber als Paulus einige Jahre später (um die Mitte der 50er-Jahre nach Christus) an die Christen von Rom schreibt, wird er vor einer ähnlichen Situation stehen und die Starken darum bitten, keine unreinen Speisen zu essen, um die Schwachen nicht zu verlieren oder zu schockieren: „Es ist nicht gut, Fleisch zu essen oder Wein zu trinken oder sonst etwas zu tun, wenn dein Bruder daran Anstoß nimmt“ (Röm 14,21). So erwies sich der Zwischenfall von Antiochia sowohl für Petrus als auch für Paulus als eine Lehre.

Nur der aufrichtige Dialog, der für die Wahrheit des Evangeliums offen ist, konnte dem Weg der Kirche die Richtung geben: „Denn das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, es ist Gerechtigkeit, Friede und Freude im Heiligen Geist“ (Röm 14,17). Das ist eine Lehre, die auch wir lernen müssen: Lassen wir uns alle mit den dem Petrus und dem Paulus anvertrauten unterschiedlichen Charismen vom Geist leiten, und versuchen wir auf diese Weise, in der Freiheit zu leben, die ihre Orientierung im Glauben an Christus findet und im Dienst an den Brüdern konkret wird. Wesentlich ist, Christus immer ähnlicher zu werden. So wird man wirklich frei, so kommt in uns der tiefste Kern des Gesetzes zum Ausdruck: die Liebe zu Gott und zum Nächsten.

Bitten wir den Herrn, dass er uns lehre, seine Gefühle zu teilen, um von ihm die wahre Freiheit und die Liebe des Evangeliums zu lernen, die jeden Menschen umfasst.

[Deutsche Zusammenfassung der Katechese:]

Liebe Brüder und Schwestern!

Das Thema der Katechese dieser Generalaudienz sind zwei herausragende Momente der Beziehung zwischen Paulus und Petrus. In beiden Fällen ging es um die Frage, ob auch die Heiden, die zum Glauben gekommen waren, das Gesetz des Moses einhalten müssen. Beim so genannten Apostelkonzil in Jerusalem hörten die Apostel und Ältesten der Kirche das Zeugnis von Paulus und Barnabas sowie die Erklärungen von Petrus und Jakobus. Unter Anleitung des Heiligen Geistes kamen sie dann zum Entschluss, von den Heiden, die durch die Gnade und den Glauben an Christus das Heil gefunden hatten, nicht auch noch die jüdische Beschneidung zu fordern.

Wenig später kam es aber zu einem Zwischenfall in Antiochia, wo Petrus sich von den bekehrten Heiden absonderte, um bei den gesetzestreuen Judenchristen keinen Anstoß zu erregen. Paulus sah darin eine Gefahr für die Wahrheit des Evangeliums und trat Petrus entgegen.

Bei dieser Kontroverse ging es den beiden Apostelfürsten nicht um Rechthaberei; sie hatten zwar in dieser schwierigen Frage unterschiedliche Ansichten, fanden jedoch schließlich zu einer Einigung. Der Vorfall zeigte ihnen, daß eine offene Aussprache, die auf der Liebe gründet und sich am Evangelium ausrichtet, die Kirche auf ihrem Weg vorwärts bringt."

 

"Der Glaube: weder Mythos noch Idee, sondern Begegnung mit dem Auferstandenen"

Kathechese während der Generalaudienz am 25. September 2008

"Liebe Brüder und Schwestern!

Heute möchte ich über das Verhältnis zwischen dem heiligen Paulus und den Aposteln sprechen, die ihm in der Nachfolge Jesu vorangegangen waren. Diese Beziehungen zeichneten sich immer durch eine tiefe Achtung und jene Aufrichtigkeit aus, die für Paulus mit der Verteidigung der Wahrheit des Evangeliums zu tun haben. Auch wenn er praktisch ein Zeitgenosse Jesu von Nazareth war, hatte er während dessen öffentlichem Leben nie die Gelegenheit gehabt, ihm zu begegnen. Deshalb verspürte er nach der Erleuchtung auf dem Weg nach Damaskus das Bedürfnis, die ersten Jünger des Meisters zu treffen. Jene, die von ihm selbst ausgewählt worden waren, sein Evangelium bis an die Grenzen der Erde zu bringen.

Im Brief an die Galater verfasst Paulus einen wichtigen Bericht über seine Begegnung mit einigen der Zwölf: vor allem mit Petrus, der zum Kephas gewählt worden war, das aramäische Wort, das Fels heißt, auf dem die Kirche errichtet wird (vgl. Gal 1,18), mit Jakobus, „dem Bruder des Herrn“ (vgl. Gal 1,19) und mit Johannes (vgl. Gal 2,9): Paulus zögert nicht, sie als „die Säulen“ der Kirche anzuerkennen. Besonders bedeutsam ist die Begegnung mit Kephas (Petrus), zu der es in Jerusalem gekommen ist: Paulus bleibt bei ihm für 15 Tage, um „ihn kennen zu lernen“ (vgl. Gal 1,18), das heißt, um sich über das Erdenleben des Auferstandenen zu informieren, der ihn auf dem Weg nach Damaskus „gepackt“ und auf radikale Weise sein Leben verändert hatte. Denn vom Verfolger der Kirche Gottes war er Verkünder jenes Glaubens an den gekreuzigten Messias und Sohn Gottes geworden, den er in der Vergangenheit zu vernichten versuchte (vgl. Gal 1,23).

Was erfuhr Paulus über Jesus Christus in den drei Jahren, welche auf die Begegnung von Damaskus folgten? Im ersten Brief an die Korinther fallen zwei Abschnitte auf, deren Inhalt Paulus in Jerusalem erfahren hatte und die bereits als zentrale Elemente der christlichen Überlieferung, der konstitutiven Überlieferung, formuliert worden waren. Er gibt sie wörtlich mit einer sehr feierlichen Formel wieder, und zwar so wie er sie empfangen hat: „Ich habe euch überliefert, was auch ich empfangen habe“.

Er betont somit die Treue zu dem, was er selbst empfangen hat und das er getreu den neuen Christen weitergibt. Dies sind Kernelemente und sie betreffen die Eucharistie und die Auferstehung; es handelt sich um Abschnitte, die bereits in den 30ger Jahren formuliert worden waren. So gelangen wir zum Tod, zur Beisetzung und zur Auferstehung Jesu (vgl. 1 Kor 15,3-4). Nehmen wir sowohl den einen als auch den anderen: die Worte Jesu beim Letzten Abendmahl (vgl. 1 Kor 11,23-25) sind für Paulus wirklich Mittelpunkt des Lebens der Kirche: die Kirche wird ausgehend von diesem Mittelpunkt errichtet und wird so sie selbst. Über jenen eucharistischen Mittelpunkt hinaus, in dem die Kirche immer neu entsteht – auch für die ganze Theologie des heiligen Paulus, für sein gesamtes Denken –, haben diese Worte eine bemerkenswerte Auswirkung auf die persönliche Beziehung des Paulus mit Jesus gehabt. Einerseits bezeugen sie, dass die Eucharistie den Fluch des Kreuzes erhellt und ihn zum Segen macht (Gal 3,13-14), und andererseits erklären sie die Tragweite des Todes und der Auferstehung Jesu. In seinen Briefen wird das „für euch“ bei der Einsetzung der Eucharistie zu einem „für mich“ (Gal 2,20), indem er es personalisiert im Wissen, dass er selbst in jenem „euch“ von Jesus erkannt und geliebt war; andererseits wird es zum „für alle“ (2 Kor 5,14): dieses „für euch“ wird zum „für mich“ und „für die Kirche“ (Eph 5,25), das heißt auch zum „für alle“ des Sühneopfers am Kreuz (vgl. Röm 3,25). Aus und in der Eucharistie wird die Kirche errichtet und erkennt sich als „Leib Christi“ (1 Kor 12,27), der jeden Tag von der Macht des Geistes des Auferstandenen genährt wird.

Der andere Text über die Auferstehung überliefert uns erneut dieselbe Formel der Treue. Der heilige Paulus schreibt: „Denn vor allem habe ich euch überliefert, was auch ich empfangen habe: Christus starb für unsere Sünden, gemäß der Schrift, und wurde begraben. Er ist am dritten Tage auferweckt, gemäß der Schrift, und erschien dem Kephas, dann den Zwölfen“ (1 Kor 15,3-5) und danach auch mir. Auch in dieser dem Paulus weitergegeben Überlieferung kehrt das „für unsere Sünden“ wieder, das den Akzent auf die Selbsthingabe Jesu an den Vater setzt, um uns von den Sünden und vom Tod zu befreien. Dieser Selbsthingabe wird Paulus die umfassendsten und faszinierendsten Worte zu unserer Beziehung mit Christus entnehmen: „Er hat den, der keine Sünde kannte, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm Gerechtigkeit Gottes würden” (2 Kor 5,21). „Denn ihr wisst, was Jesus Christus, unser Herr, in seiner Liebe getan hat: Er, der reich war, wurde euretwegen arm, um euch durch seine Armut reich zu machen“ (2 Kor 8,9).

Es lohnt sich, den Kommentar in Erinnerung zu rufen, mit dem der damalige Augustinermönch Martin Luther diese paradoxen Wendungen des Paulus begleitete: „Dies ist das großartige Geheimnis der göttlichen Gnade gegenüber den Sündern: dass durch einen wunderbaren Austausch unsere Sünden nicht mehr die unsrigen sind, sondern die Sünden Christi, und die Gerechtigkeit Christi ist nicht mehr die seinige, sondern unsere“ (Psalmenkommentar 1513-1515). Und so sind wir gerettet.

Im ursprünglichen kerygma (Verkündigung), das von Mund zu Mund weitergegeben wurde, lohnt es sich, auf den Gebrauch des Verb: „er ist auferweckt“ statt „er wurde auferweckt“ hinzuweisen, dessen Gebrauch in Fortsetzung des „er starb… und wurde begraben“ logischer gewesen wäre. Die Verbalform „er ist auferweckt“ ist gewählt worden, um hervorzuheben, dass die Auferstehung Christi bis hinein in die Gegenwart das Dasein der Gläubigen bestimmt: wir können es übersetzen mit „er ist auferweckt“ und „lebt“ weiter in der Eucharistie und in der Kirche. So legen alle Schriften Zeugnis vom Leben und von der Auferstehung Christi ab, da – wie Hugo von Sankt Viktor schreiben wird – „die ganze göttliche Schrift ein einziges Buch bildet, und dieses eine Buch ist Christus, denn die ganze Schrift spricht von Christus und findet in Christus ihre Erfüllung“ (De arca Noe, 2,8). Wenn der heilige Ambrosius von Mailand sagen konnte, dass „wir in der Schrift Christus lesen“, so deshalb, weil die Kirche der Anfänge alle Schriften Israels von Christus her und im Rückblick auf ihm gelesen hat.

Die Reihe der Erscheinungen des Auferstandenen bei Kephas, bei den Zwölfen, vor mehr als 500 Brüdern und vor Jakobus schließt mit dem Hinweis auf die persönliche Erscheinung, die Paulus auf dem Weg nach Damaskus gehabt hat: „Als Letztem von allen erschien er auch mir, dem Unerwarteten, der ‚Missgeburt’” (1 Kor 15,8). Da er die Kirche Gottes verfolgt hat, bringt er in diesem Geständnis seine Unwürdigkeit zum Ausdruck, auf derselben Augenhöhe mit den Aposteln zu stehen, wie jene, die ihm vorangegangen sind: aber die Gnade Gottes war nicht vergebens in ihm (vgl. 1 Kor 15,10).

Die machtvolle Wirkung der Gnade Gottes verbindet Paulus so mit den ersten Zeugen der Auferstehung Christi: „Ob nun ich verkündige oder die anderen: das ist unsere Botschaft, und das ist der Glaube, den ihr angenommen habt“ (1 Kor 15,11). Wichtig ist die Identität und Einzigartigkeit der Verkündigung des Evangeliums: sowohl sie als auch ich – wir verkündigen denselben Glauben, dasselbe Evangelium Jesu Christi, der gestorben und auferstanden ist, der sich in der Allerheiligsten Eucharistie schenkt.

Die Wichtigkeit, die er der lebendigen Überlieferung der Kirche zuweist und seinen Gemeinden weitergibt, zeigt, wie abwegig die Ansicht derer ist, welche Paulus die „Erfindung des Christentums“ zuschreiben: bevor er Jesus Christus, seinen Herrn, verkündigt, ist er ihm auf dem Weg nach Damaskus begegnet und hatte Umgang mit ihm in der Kirche, indem er dessen Leben in den Zwölf und in jenen beobachtete, die ihm auf den Straßen von Galiläa nachgefolgt sind. In den nächsten Katechesen werden wir Gelegenheit haben, die Beiträge zu vertiefen, die Paulus der Kirche der Anfänge geschenkt hat; die Sendung aber, die er vom Auferstandenen zur Evangelisierung der Heiden empfangen hat, muss von denen bestätigt und gewährleistet werden, die ihm und Barnabas zum Zeichen der Billigung ihres Apostolats, ihrer Evangelisierung und Aufnahme in die eine Gemeinschaft der Kirche Christi (vgl. Gal 2,9) die Hand reichten.

So wird verständlich, dass der Ausdruck „auch wenn wir früher Christus nach menschlichen Maßstäben eingeschätzt haben“ (2 Kor 5,16) nicht besagt, dass sein Erdenleben von geringer Bedeutung für unsere Reifung im Glauben wäre, sondern dass sich unsere Art der Beziehung zu ihm vom Augenblick seiner Auferstehung an ändert. Er ist gleichzeitig der Sohn Gottes, „der dem Fleisch nach geboren ist als Nachkomme Davids, der dem Geist der Heiligkeit nach eingesetzt ist als Sohn Gottes in Macht seit der Auferstehung von den Toten“, wie Paulus zu Beginn des Briefs an die Römer erinnern wird (1, 3-4).

Je mehr wir versuchen, die Spuren des Jesus von Nazareth auf den Straßen von Galiläa zu verfolgen, um so mehr können wir begreifen, dass er unser Menschsein angenommen und es in allem außer der Sünde geteilt hat. Unser Glaube entsteht weder aus einem Mythos noch aus einer Idee, sondern aus der Begegnung mit dem Auferstandenen im Leben der Kirche.

[deutsche Zusammenfassung:]

Liebe Brüder und Schwestern!

Heute wollen wir das Verhältnis des heiligen Paulus zu den Aposteln und der jungen Kirche betrachten. Paulus hatte Jesus während seines öffentlichen Wirkens nie persönlich kennen gelernt. Er war also auf die Berichte der Apostel und der anderen Jünger angewiesen. Paulus erwähnt dies im Galaterbrief: Nach seiner Bekehrung ging er „nach Jerusalem hinauf, um Kephas kennen zu lernen, und blieb 15 Tage bei ihm“ (1, 18). Der Kern der Botschaft, die Paulus dort über das Leben und Wirken des Herrn erhält, besteht vor allem in den Worten Jesu beim Abendmahl, im Tod und in der Grablegung, in der Auferstehung am dritten Tag und im Erscheinen des Auferstandenen vor Kephas und den anderen Jüngern. Davon spricht die Überlieferung, die Paulus selbst empfangen hat: „Christus starb für unsere Sünden, gemäß der Schrift, und wurde begraben. Er ist am dritten Tage auferweckt, gemäß der Schrift, und erschien dem Kephas, dann den Zwölfen“ (1 Kor 15, 3-5). Hier ist bemerkenswert, dass das Wort „auferweckt“ in einer anderen Zeitform als die übrigen Verben steht, welche die Verbindung des Geschehens der Auferstehung mit der Gegenwart zum Ausdruck bringt: Die Auferstehung Christi ist nicht bloß ein historisches Ereignis, sondern Christus lebt wirklich und ist in den Sakramenten der Kirche gegenwärtig. Die Bedeutung, die der Apostel der lebendigen Tradition beimisst, zeigt uns, wie abwegig die Meinung ist, die Paulus sozusagen die Erfindung des Christentums zuschreiben will. Vor seiner Mission als Völkerapostel steht die Begegnung des Paulus mit dem Auferstandenen; die Sendung wurde bestätigt und garantiert durch die Apostel, die ihm „die Hand gaben zum Zeichen der Gemeinschaft“ (Gal 2,9)."

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