BXVI. Katechesen III
BXVI. Katechesen III






 

Papst Benedikt XVI.:

Katechesen zum Paulusjahr

Teil III.  (15. Okt. - 5. Nov. 2008)

 

„Ist die Aussage ‚Christus ist auferstanden‘ auch für uns aktuell?“

Kathechese während der Generalaudienz am 5. November 2008

 

Liebe Brüder und Schwestern!

„Ist aber Christus nicht auferweckt worden, dann ist unsere Verkündigung leer und euer Glaube sinnlos …, und ihr seid immer noch in euren Sünden“ (1 Kor 15, 14.17). Mit diesen starken Worten aus dem ersten Brief an die Korinther gibt uns der heilige Paulus zu verstehen, welche entscheidende Bedeutung er der Auferstehung Jesu zuwies. In diesem Ereignis nämlich liegt die Lösung des Problems, das sich mit dem Drama des Kreuzes stellt. Das Kreuz allein konnte den christlichen Glauben nicht erklären, im Gegenteil: Es wäre eine Tragödie geblieben, der Verweis auf die Absurdität des Seins. Das Ostergeheimnis besteht in der Tatsache, dass jener Gekreuzigte „am dritten Tag auferweckt worden ist, gemäß der Schrift“ (1 Kor 15,4). So bezeugt es die protochristliche Überlieferung. Hierin liegt der Schlussstein der paulinischen Christologie: Alles dreht sich um dieses Gravitationszentrum. Die ganze Lehre des Apostels Paulus geht vom Geheimnis dessen aus, den der Vater von den Toten auferweckt hat, und sie kehrt wieder zu diesem Geheimnis zurück. Die Auferstehung ist eine grundlegende Gegebenheit, gleichsam ein vorweggenommenes Axiom (vgl. 1 Kor 15,12), auf dessen Grundlage Paulus seine synthetische Verkündigung („kerygma“) formulieren kann: Er, der gekreuzigt wurde und auf diese Weise die unendliche Liebe Gottes zum Menschen sichtbar machte, ist auferstanden und lebt mitten unter uns.

Es ist wichtig, die Verbindung zwischen der Verkündigung der Auferstehung zu erfassen, wie Paulus sie formuliert, und jener, die in den ersten christlichen Gemeinden vor Paulus gebräuchlich war. Hier kann wirklich erkannt werden, wie wichtig die Überlieferung war, die dem Apostel vorangegangen ist und die er seinerseits mit großer Achtung und Aufmerksamkeit weitergeben wollte. Der Text über die Auferstehung, der im Kapitel 15,1-11 des ersten Briefs an die Korinther vorliegt, lässt gut die Verbindung zwischen dem „Empfangen“ und dem „Überliefern“ hervortreten. Der heilige Paulus misst der wortwörtlichen Formulierung der Tradition große Bedeutung zu; am Ende des in Betracht gezogenen Abschnittes betont er: „Ob nun ich verkündige oder die anderen…“ (1 Kor 15,11), und setzt so die Einheit des „kerygma“ ins Licht, der Verkündigung an alle Gläubigen und all jene, die die Auferstehung Christi verkündigen werden. Die Überlieferung, an die er anschließt, ist die Quelle, aus der es zu schöpfen gilt. Die Originalität seiner Christologie gereicht nie zum Schaden der Treue zur Überlieferung. Das „kerygma“ der Apostel steht immer vor der persönlichen erneuten Ausarbeitung des Paulus; eine jede seiner Argumentation geht von der gemeinsamen Tradition aus, in der der Glaube zum Ausdruck kommt, den alle Kirchen teilen, die eine einzige Kirche sind. Und so bietet der heilige Paulus für alle Zeiten ein Modell dafür, wie Theologie zu betreiben ist und wie gepredigt werden soll. Der Theologe, der Prediger schafft keine neuen Welt- und Lebensanschauungen, sondern er steht im Dienst der überlieferten Wahrheit, im Dienst der realen Tatsache Christi – des Kreuzes, der Auferstehung. Seine Aufgabe besteht darin, uns heute zu helfen, hinter den antiken Worten die Wirklichkeit des „Gott mit uns“ zu begreifen, das heißt die Wirklichkeit des wahren Lebens.

An dieser Stelle muss präzisiert werden: Wenn der heilige Paulus die Auferstehung verkündet, geht es ihm nicht darum, diesbezüglich eine organische lehrmäßige Exposition vorzulegen – er will sozusagen kein Theologie-Handbuch schreiben –, sondern er setzt sich mit dem Thema auseinander, indem er auf konkrete Zweifel und Fragen antwortet, die die Gläubigen an ihn richteten. Es handelt sich somit um eine Rede, die sich aus der Gelegenheit ergibt, die aber voller Glauben und gelebter Theologie ist. Darin ist eine Konzentration auf das Wesentliche festzustellen: Wir sind durch Christus „gerechtfertigt“, das heißt gerecht gemacht, gerettet worden, der für uns gestorben und auferstanden ist. Es tritt vor allem die Tatsache der Auferstehung hervor, ohne die das christliche Leben schlechthin absurd wäre. An jenem Morgen des Ostertages ereignete sich etwas Außerordentliches, etwas Neues und gleichzeitig etwas sehr Konkretes, das durch sehr genaue, von zahlreichen Zeugen festgehaltene Zeichen gekennzeichnet war. Für Paulus ist – genauso wie für die anderen Verfasser des Neuen Testaments – die Auferstehung an das Zeugnis dessen gebunden, der den Auferstandenen direkt erlebt hat. Es geht darum, nicht nur mit den Augen oder den Sinnen zu sehen und zu erleben, sondern auch mit dem inneren Licht, das uns dazu drängt, das anzuerkennen, was die äußeren Sinne als objektive Gegebenheit vorlegen. Deshalb weist Paulus wie die vier Evangelien dem Thema der Erscheinungen eine grundlegende Bedeutung zu, die für den Glauben an den Auferstandenen, der das Grab leer hinterlassen hat, eine entscheidende Bedingung sind.

Diese beiden Tatsachen sind wichtig: Das Grab ist leer, und: Jesus ist wirklich erschienen. So bildet sich jenes Band der Überlieferung, die durch das Zeugnis der Apostel und der ersten Jünger den nachfolgenden Generationen bis hin zu uns weitergegeben wird. Die erste Folge beziehungsweise die erste Form, dieses Zeugnis zum Ausdruck zu bringen, besteht darin, die Auferstehung als Zusammenfassung der Verkündigung des Evangeliums und als Höhepunkt eines Heil bringenden Weges zu predigen. All dies tut Paulus bei diversen Gelegenheiten: Man kann in den Briefen und in der Apostelgeschichte nachschlagen, wo immer zu sehen ist, dass der wesentliche Punkt für ihn die Zeugenschaft der Auferstehung ist. Ich möchte nur einen Text zitieren: Der in Jerusalem verhaftete Paulus steht als Angeklagter vor dem Hohen Rat. In dieser Situation, in der es für ihn um Leben und Tod geht, zeigt er auf, was Sinn und Inhalt seiner ganzen Verkündigung ist: „Wegen der Hoffnung und wegen der Auferstehung der Toten stehe ich vor Gericht“ (Apg 23,6). Dasselbe wiederholt er immer wieder in seinen Briefen (vgl. 1 Thess 1,9f; 4,13-18; 5,10), in denen er sich auch auf seine persönliche Erfahrung beruft, auf seine persönliche Begegnung mit dem auferstandenen Christus (vgl. Gal 1,15-16; 1 Kor 9,1).

Aber wir können uns fragen: Worin besteht für den heiligen Paulus der tiefe Sinn des Ereignisses der Auferstehung Jesu? Was sagt es uns im Abstand von 2000 Jahren? Ist die Aussage „Christus ist auferstanden“ auch für uns aktuell? Warum ist für ihn und für uns heute die Auferstehung ein so bestimmendes Thema?

Paulus gibt zu Beginn des Briefes an die Römer eine feierliche Antwort auf diese Frage, wenn er anhebt und auf „das Evangelium Gottes“ Bezug nimmt, „das Evangelium von seinem Sohn, der dem Fleisch nach geboren ist als Nachkomme Davids, der dem Geist der Heiligkeit nach eingesetzt ist als Sohn Gottes in Macht seit der Auferstehung von den Toten“ (Röm 1,3-4). Paulus weiß wohl, und er sagt es viele Male, dass Jesus immer der Sohn Gottes gewesen ist, vom Augenblick seiner Fleischwerdung an. Die Neuheit der Auferstehung besteht in der Tatsache, dass Jesus aus der Niedrigkeit seines irdischen Daseins erhoben und „in Macht“ als Sohn Gottes eingesetzt wird. Der bis zum Tod am Kreuz erniedrigte Jesus kann jetzt zu den Elf sagen: „Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde“ (Mt 28,18). Es ist das Wirklichkeit geworden, was in Psalm 2,8 gesagt wird: „Fordere von mir, und ich gebe dir die Völker zum Erbe, die Enden der Erde zum Eigentum.“ Deshalb beginnt mit der Auferstehung das Evangelium Christi für alle Völker. Es beginnt das Reich Christi, dieses neue Reich, das keine andere Macht kennt als jene der Wahrheit und der Liebe. Die Auferstehung offenbart also endgültig, was die wahre Identität und die außerordentliche Gestalt des Gekreuzigten ist. Eine unvergleichbare und höchste Würde: Jesus ist Gott! Mehr als in der Fleischwerdung offenbart sich für den heiligen Paulus die geheime Identität Jesu im Geheimnis der Auferstehung. Während der Titel „Christus“, das heißt der „Messias“, der „Gesalbte“, bei Paulus dazu neigt, zum Eigennamen Jesu zu werden, und der Titel „Herr“ seine persönliche Beziehung zu den Gläubigen bestimmt, erhellt jetzt der Titel „Sohn Gottes“ die innige Beziehung Jesu mit Gott, eine Beziehung, die sich im Osterereignis vollkommen offenbart. Man kann somit sagen, dass Jesus auferweckt ist, um der Herr der Toten und der Lebenden zu sein (vgl. Röm 14,9; und 2 Kor 5,15), oder mit anderen Worten: unser Heiland (vgl. Röm 4,25).

All dies hat wichtige Konsequenzen für unser Glaubensleben: Wir sind dazu berufen, bis ins Innerste unseres Seins an der gesamten Geschichte des Todes und der Auferstehung Christi teilzuhaben. Der Apostel sagt: Wir sind „mit Christus gestorben“, und wir glauben, „dass wir auch mit ihm leben werden. Wir wissen, dass Christus, von den Toten auferweckt, nicht mehr stirbt; der Tod hat keine Macht mehr über ihn“ (Röm 6,8-9). Das wird in der Anteilnahme an den Leiden Christi konkret, die ein Vorspiel zu jener vollen Gleichgestaltung mit ihm durch die Auferstehung ist, nach der wir in der Hoffnung streben. Das ist auch dem heiligen Paulus geschehen. Seine persönliche Erfahrung wird in den Briefen in innigen und auch realistischen Tönen beschrieben: „Christus will ich erkennen und die Macht seiner Auferstehung und die Gemeinschaft mit seinen Leiden; sein Tod soll mich prägen. So hoffe ich, auch zur Auferstehung von den Toten zu gelangen“ (Phil 3,10-11; vgl. 2 Tim 2,8-12).

Die Theologie des Kreuzes ist keine Theorie – sie ist die Wirklichkeit des christlichen Lebens. Im Glauben an Jesus Christus zu leben, die Wahrheit und die Liebe zu leben, schließt tagtäglich Verzicht und Leiden ein. Das Christentum ist kein bequemer Weg, es ist vielmehr ein steiler Weg, der hohe Anforderungen stellt, dabei allerdings vom Licht Christi und der großen Hoffnung erleuchtet ist, die aus ihm erwächst. Der heilige Augustinus sagt: Den Christen bleibt das Leid nicht erspart, ganz im Gegenteil: Ihnen ist mehr verheißen, da das Leben aus dem Glauben den Mut zum Ausdruck bringt, dem Leben und der Geschichte mit größerer Tiefe zu begegnen. Nichtsdestoweniger erkennen wir nur so – das heißt in der Erfahrung des Leids – das Leben in seiner Tiefe, in seiner Schönheit, in der großen Hoffnung, die der gekreuzigte und auferstandene Christus weckt. Der Gläubige steht somit zwischen zwei Polen: auf der einen Seite die Auferstehung, die in gewisser Weise schon in uns gegenwärtig und wirksam ist (vgl. Kol 3,1-4; Eph 2,6), und auf der anderen die Dringlichkeit, in jenen Prozess einzutreten, der alle und alles zu der Fülle führt, die im Brief an die Römer mit einem gewagten Bild beschrieben wird: So wie die gesamte Schöpfung seufzt und in Geburtswehen liegt, so seufzen auch wir in Erwartung der Erlösung unseres Leibes, unserer Erlösung und Auferstehung (Röm 8,18-23).

Zusammenfassend können wir mit Paulus sagen, dass der wahre Gläubige das Heil erlangt, indem er mir seinem Mund verkündet, dass Jesus der „Herr“ ist, und mit seinem Herzen glaubt, dass „Gott ihn von den Toten auferweckt hat“ (vgl. Röm 10,9). Wichtig ist vor allem das Herz, das an Christus glaubt und im Glauben den Auferstandenen „berührt“. Es reicht aber nicht, den Glauben im Herzen zu tragen, wir müssen ihn auch mit dem Mund bekennen und mit unserem Leben bezeugen und so die Wahrheit des Kreuzes und der Auferstehung in unserer Geschichte gegenwärtig machen. Auf diese Weise nämlich fügt sich der Christ in jenen Prozess ein, dank dessen sich der erste Adam, der ein irdisches Wesen und der Verwesung und dem Tod ausgesetzt war, in den letzten Adam verwandelt, der himmlisch und unverweslich ist (vgl. 1 Kor 15,20-22.42-49). Dieser Prozess hat mit der Auferstehung Christi seinen Anfang genommen, in der daher die Hoffnung gründet, dass eines Tages auch wir mit Christus in unsere wahre Heimat eintreten können, die im Himmel ist. Getragen von dieser Hoffnung schreiten wir mutig und freudig voran.

[deutsche Zusammenfassung:]

Liebe Brüder und Schwestern!

„Ist aber Christus nicht auferweckt worden, dann ist unsere Verkündigung leer und euer Glaube sinnlos“ (1 Kor 15, 14). Diese Worte des heiligen Paulus machen deutlich, dass das Ausschlaggebende des christlichen Glaubens die Auferstehung Jesu ist. Christus, der uns durch die Hingabe am Kreuz seine bedingungslose Liebe gezeigt hat, er ist auferstanden und lebt unter uns. Auf dieser Tatsache baut Paulus seine Verkündigung auf. Der Apostel stützt sich hierbei mit großer Ehrfurcht auf die Tradition, die ihm vorausgeht. Gerade beim Thema der Auferstehung hebt er den Zusammenhang zwischen Empfangen und Weitergeben hervor; denn die Einheit der apostolischen Überlieferung steht über der persönlichen Darstellung des Ereignisses. Der Auferstandene ist den Aposteln mehrfach erschienen und hat so ihre Zeugenschaft gefestigt. Der erste Ausdruck dieses Zeugnisses ist die Predigt von der Auferstehung als Zusammenfassung des Evangeliums und Gipfel des Heilsweges. Diese führt zu einer lebendigen Begegnung mit Christus, in der sich der Auferstandene als Sohn Gottes, als Herr über Leben und Tod zeigt. Unsere menschliche Wirklichkeit ist für das Leben geschaffen und geht in Christus insgesamt auf Gott zu; wir dürfen teilhaben an seinem Heilswerk: Wenn wir auch in dieser Welt nicht immer vom Leiden verschont bleiben, so trägt uns doch die Hoffnung, dass wir an seinem Leben in Fülle Anteil erhalten werden. Wie Paulus sagt: „Sind wir mit Christus gestorben, so glauben wir auch, dass wir mit ihm leben" (Röm 6, 8).

 

"Theologie des Kreuzes - das Heil ist Gnade"

Kathechese während der Generalaudienz am 29.Oktober 2008

"Liebe Brüder und Schwestern!

In der persönlichen Erfahrung des heiligen Paulus liegt eine unbestreitbare Tatsache: Während er am Anfang ein Verfolger war und gegen di Christen Gewalt angewandt hatte, war er ab dem Augenblick seiner Bekehrung auf dem Weg nach Damaskus auf die Seite des gekreuzigten Christus übergegangen und hatte aus ihm den Sinn seines Leben und den Grund seiner Verkündigung gemacht. Sein Dasein war ein Leben, das ganz für die Seelen aufgewandt wurde (vgl. 2 Kor 12,15), mitnichten ruhig und gefeit vor Fallstricken und Schwierigkeiten. In der Begegnung mit Jesus war ihm die zentrale Bedeutung des Kreuzes klar geworden: er hatte verstanden, dass Jesus für alle und für ihn selbst gestorben und auferstanden war. Beides war wichtig; die Universalität: Jesus ist wirklich für alle gestorben, und die Subjektivität: er ist auch für mich gestorben. Im Kreuz hat sich also die unentgeltliche und barmherzige Liebe Gottes offenbart. Diese Liebe hatte Paulus vor allem an sich selbst erfahren (vgl. Gal 2,20), und vom Sünder wurde er zum Gläubigen, vom Verfolger zum Apostel. Tag für Tag erfuhr er in seinem neuen Leben, dass das Heil „Gnade“ war, dass alles vom Tod Christi herrührte und nicht von seinen Verdiensten, die im übrigen nicht gegeben waren. Das „Evangelium der Gnade“ wurde so für ihn zur einzigen Weise, wie das Kreuz zu verstehen ist, nicht nur das Kriterium seines neuen Daseins, sondern auch die Antwort für seine Gesprächspartner. Zu diesen gehörten vor allem die Juden, die ihre Hoffnung in die Werke legten und von diesen das Heil erhofften; dann waren da die Griechen, die ihre menschliche Weisheit dem Kreuz entgegensetzten; schließlich gab es jene Gruppen von Irrlehrern, die sich eine eigene Vorstellung vom Christentum ihrem eigenen Lebensmodell entsprechend gemacht hatten.

Für den heiligen Paulus hat das Kreuz einen grundlegenden Primat in der Geschichte der Menschheit; es stellt den Brennpunkt seiner Theologie dar, da „Kreuz“ „Heil als Gnade“ besagt, das jedem Geschöpf geschenkt ist. Das Thema des Kreuzes Christi wir ein wesentliches und primäres Element der Verkündigung des Apostels: das deutlichste Beispiel betrifft die Gemeinde von Korinth. Vor einer Kirche, in der es auf Besorgnis erregende Weise Unordnung und Skandale gab, wo die Gemeinschaft von Parteiungen und inneren Spaltungen bedroht war, die der Einheit des Leibes Christi Schaden zufügten, präsentiert sich Paulus nicht mit der Feinheit des Wortes oder der Weisheit, sondern mit der Verkündigung Christi: des gekreuzigten Christus. Seine Kraft besteht nicht in der Überredung, sondern paradoxerweise in der Schwachheit und im bebenden Zittern dessen, der nur auf die „Kraft Gottes“ vertraut (vgl. 1 Kor 2,1-4). Das Kreuz ist aufgrund all dessen, was es darstellt, und somit auch aufgrund der in ihm enthaltenen theologischen Botschaft Ärgernis und Torheit. Der Apostel bekräftigt dies mit einer beeindruckenden Kraft, wo man gut daran tut, diese in seinen eigenen Worten zu hören: „Denn das Wort vom Kreuz ist denen, die verloren gehen, Torheit; uns aber, die gerettet werden, ist es Gottes Kraft… Denn da die Welt angesichts der Weisheit Gottes auf dem Weg ihrer Weisheit Gott nicht erkannte, beschloss Gott, alle, die glauben, durch die Torheit der Verkündigung zu retten. Die Juden fordern Zeichen, die Griechen suchen Weisheit. Wir dagegen verkündigen Christus als den Gekreuzigten: für Juden ein empörendes Ärgernis, für Heiden eine Torheit“ (1 Kor 1,18-23).

Die ersten christlichen Gemeinden, an die Paulus sich wendet, wissen sehr gut, dass Jesus auferstanden ist und lebt; der Apostel will nicht nur den Korinthern oder den Galatern, sondern uns allen ins Gedächtnis rufen, dass der Auferstandene immer der ist, der gekreuzigt wurde. Das „Ärgernis“ und die „Torheit“ des Kreuzes liegen gerade darin, dass gerade dort, wo nur Scheitern, Schmerz und Niederlage zu sein scheint, die ganze Macht der grenzenlosen Liebe Gottes ist, da das Kreuz Ausdruck der Liebe und die Liebe die wahre Macht ist, die sich gerade in dieser scheinbaren Schwäche offenbart. Für die Juden ist das Kreuz „skandalon“, das heißt eine Falle oder ein Stolperstein: es scheint ein Hindernis für den Glauben des frommen Israeliten darzustellen, der sich schwer damit tut, etwas ähnliches in der Heiligen Schrift zu finden. Mit nicht wenig Mut scheint Paulus hier zu sagen, dass das, was auf dem Spiel steht, sehr hoch ist: für die Juden widerspricht das Kreuz dem Wesen Gottes selbst, der sich in wunderbaren Zeichen offenbart hat. Das Kreuz Christi anzunehmen heißt also, eine tiefe Umkehr in der Art der Gottesbeziehung zu wirken. Wenn sich für die Juden der Grund für die Ablehnung des Kreuzes in der Offenbarung findet, das heißt in der Treue zum Gott der Väter, so ist für die Griechen, das heißt für die Heiden, das Urteilskriterium für den Widerstand gegen das Kreuz die Vernunft. Für diese Letzteren ist das Kreuz nämlich „moría“, Torheit, wörtlich Schalheit, das heißt eine Speise ohne Salz; mehr denn ein Irrtum ist es also eine Beleidigung des gesunden Menschenverstandes.

Paulus selbst macht bei mehr als einer Gelegenheit die bittere Erfahrung der Ablehnung der christlichen Verkündigung, die als „schal“, bedeutungslos und nicht der Würde wert angesehen wurde, auf der Ebene der rationalen Logik Beachtung zu finden. Wer wie die Griechen die Vollkommenheit im Geist, im reinen Denken sah, für den war es schon unannehmbar, dass Gott Mensch werden könnte und so in alle Begrenztheiten des Raumes und der Zeit eintauchen würde. Entschieden unvorstellbar war es dann zu glauben, dass ein Gott am Kreuz enden könnte! Und wir sehen, wie diese griechische Logik auch die allgemeine Logik unserer Zeit ist. Der Begriff „apátheia“, Affektlosigkeit und Gemütsruhe im Sinne von Abwesenheit von Leidenschaften in Gott – wie hätte dieser einen Gott erfassen können, der Mensch geworden ist und unterlag, der sich dann sogar den Leib zurück genommen hätte, um als Auferstandener zu leben? „Darüber wollen wir dich ein andermal hören” (Apg 17,32), sagten die Athener spottend zu Paulus, als sie von der Auferstehung der Toten sprechen hörten. Für sie bestand die Vollkommenheit in der Befreiung vom Leib, den sie als ein Gefängnis ansahen; wie sollten sie es da nicht als eine Verirrung ansehen, den Leib wieder anzunehmen? In der antiken Kultur schien kein Platz zu sein für die Botschaft vom Fleisch gewordenen Gott. Das gesamte Ereignis „Jesus von Nazareth“ schien von der vollkommensten Schalheit gezeichnet zu sein, und gewiss war das Kreuz deren symbolischster Punkt.

Warum aber hat der heilige Paulus gerade daraus, das heißt aus dem Wort vom Kreuz, den grundlegenden Punkt seiner Verkündigung gemacht? Die Antwort ist nicht schwer: das Kreuz offenbart „Gottes Kraft“ (vgl. 1 Kor 1,24), die anders ist als die menschliche Kraft; es offenbart nämlich seine Liebe: „Das Törichte an Gott ist weiser als die Menschen und das Schwache an Gott ist stärker als die Menschen“ (ebd. 25). Im Abstand von Jahrhunderten zu Paulus sehen wir, dass in der Geschichte das Kreuz den Sieg davon getragen hat und nicht die Weisheit, die sich dem Kreuz widersetzt. Der Gekreuzigte ist Weisheit, da er wirklich offenbar macht, wer Gott ist, das heißt Kraft der Liebe, die bis zum Kreuz geht, um den Menschen zu retten. Gott bedient sich Handlungsweisen und Mittel, die uns auf den ersten Blick nur Schwachheit zu sein scheinen. Das Kreuz legt einerseits die Schwachheit des Menschen bloß und andererseits die wahre Kraft Gottes, das heißt die Unentgeltlichkeit der Liebe: gerade diese totale Unentgeltlichkeit der Liebe ist die wahre Weisheit. Dies hat der heilige Paulus bis ins eigene Fleisch erfahren, und er legt dafür an verschiedenen Stellen seines geistlichen Weges Zeugnis ab, die für jeden Jünger Jesu zu genauen Bezugspunkten geworden sind: „Er aber antwortete mir: Meine Gnade genügt dir; denn sie erweist ihre Kraft in der Schwachheit“ (2 Kor 12,9); und weiter: „Und das Niedrige in der Welt und das Verachtete hat Gott erwählt: das, was nichts ist, um das, was etwas ist, zu vernichten“ (1 Kor 1,28). Der Apostel identifiziert sich so sehr mit Christus, dass auch er, obwohl er inmitten so vieler Prüfungen lebt, im Glauben des Sohnes Gottes lebt, der ihn geliebt und sich selbst hingegeben hat für seine Sünden und für die Sünden aller (vgl. Gal 1,4; 2,20). Diese autobiographische Angabe des Apostels wird zum Beispiel für uns alle.

Der heilige Paulus hat eine bewundernswerte Synthese der Theologie des Kreuzes im zweiten Brief an die Korinther geboten (5,14-21), wo alles von zwei grundlegenden Aussagen umfasst ist; einerseits ist Christus, den Gott für uns zur Sünde gemacht hat (V. 21), für alle gestorben (V. 14); andererseits hat Gott uns mit sich versöhnt, indem er uns unsere Verfehlungen nicht anrechnete (v. 18-20). Aufgrund dieses „Dienstes der Versöhnung“ sind wir von jeder Sklaverei freigekauft (vgl. 1 Kor 6,20; 7,23). Hier tritt hervor, wie all dies unser Leben betrifft. Auch wir müssen in diesen „Dienst der Versöhnung“ eintreten, der immer den Verzicht auf die eigene Überlegenheit und die Wahl der Torheit der Liebe voraussetzt. Der heilige Paulus hat auf sein Leben verzichtet, indem er sich ganz für den Dienst an der Versöhnung, am Kreuz hergegeben hat, das Heil für uns alle ist. Und das müssen auch wir tun: Wir können unsere Kraft in der Demut der Liebe und unsere Weisheit in der Schwachheit des Verzichts finden, um so in die Kraft Gottes einzugehen. Wir alle müssen unser Leben entsprechend dieser wahren Weisheit formen: nicht für uns selbst, sondern im Glauben an jenen Gott leben, von dem wir alle sagen dürfen: „Er hat mich geliebt, und er hat sich selbst hingegeben für mich.“

[Deutsche Zusammenfassung:]

Liebe Brüder und Schwestern!

Im Kreuz Christi bündelt sich wie in einem Brennpunkt die Theologie des heiligen Paulus. Wenn der Apostel vom Kreuz spricht, nimmt er die Erlösung insgesamt in den Blick: Das vom Kreuzestod Christi ausgehende Heil ist geschenkte Gnade, die unserem menschlichen Tun vorausgeht. Im Kreuz offenbart sich die unentgeltliche und barmherzige Liebe Gottes zu den Menschen; es ist das Herzstück der christlichen Botschaft. Für die jüdischen Glaubensgenossen des Paulus hingegen ist das Kreuz ein Ärgernis, ein Hindernis des Glaubens, da es dem Wesen Gottes selbst zu widersprechen scheint. Es fordert zu einer völlig neuen Gottesbeziehung heraus. Für das griechische Denken seiner Zeit steht das Kreuz zudem im Widerspruch zur Vernunft, es ist Torheit, eine Beleidigung des gesunden Menschenverstandes. Schon ein Gott, der Mensch wird und sich in Raum und Zeit eingrenzen lässt, ist für die Griechen unannehmbar; und zu glauben, dass Gott am Kreuz enden könnte, ist erst recht unvorstellbar. Für Paulus aber ist das Kreuz „Gottes Kraft und Weisheit“. Der Gekreuzigte enthüllt, wer Gott wirklich ist, nämlich die Macht unerschöpflicher Liebe. Christus hat sich für unsere Sünden hingegeben und ist für alle gestorben. Er ist zur Sühne für uns geworden und hat uns mit sich versöhnt. In der Schwachheit des Kreuzes entdecken wir die Kraft des Geistes Gottes, im Blick auf den Gekreuzigten können wir unsere eigene Schwachheit annehmen und der unser Leben tragenden Liebe Christi gewiss werden.

[Die deutschsprachigen Pilger grüßte der Heilige Vater mit den folgenden Worten:]

Gerne heiße ich alle Gäste deutscher Sprache bei dieser Audienz willkommen; besonders grüße ich heute die Gemeinschaft der Ludgerusschule in Vechta. Getauft auf Christi Tod und Auferstehung wollen wir unser Leben unter das Geheimnis des Kreuzes, des Zeichens der Liebe Gottes stellen und mit Paulus sagen: „Ich will mich allein des Kreuzes Jesu Christi, unseres Herrn, rühmen, durch das mir ich die Welt gekreuzigt ist, und ich der Welt“ (Gal 6,14). Werden wir nicht müde, die Liebe des Gekreuzigten in Wort und Tat zu verkünden. Dazu schenke euch der Herr seine Kraft."

 

"Die Verkündigung des Wesentlichen: Die zentrale Rolle des auferstandenen Christus im Geheimnis der Erlösung"

Katechese während der Generalaudienz am 22. Oktober 2008:

"Liebe Brüder und Schwestern!

In den Katechesen der letzen Wochen haben wir über die „Bekehrung“ des heiligen Paulus nachgedacht. Sie war die Frucht der persönlichen Begegnung mit dem gekreuzigten und auferstandenen Jesus. Wir haben uns die Frage gestellt, welcher Art die Beziehung des Völkerapostels mit dem irdischen Jesus gewesen sei. Heute möchte ich über die Lehre sprechen, die uns der heilige Paulus über die zentrale Bedeutung des auferstandenen Christus im Heilsmysterium hinterlassen hat: über seine Christologie.

In Wirklichkeit steht der auferstandene Christus, „dessen Name größer ist als alle Namen“, im Mittelpunkt aller seiner Betrachtungen. Christus ist für den Apostel das Unterscheidungsmerkmal zur Bewertung von Ereignissen und Sachverhalten; er ist das Ziel aller Anstrengungen, die er unternimmt, um das Evangelium zu verkünden: die große Leidenschaft, die seine Schritte auf den Straßen dieser Welt antreibt.

Es handelt sich zudem um einen lebendigen, konkreten Christus: der Christus, sagt Paulus, „der mich geliebt und sich für mich hingegeben hat“ (Gal 2,20). Diese Person, die mich liebt, mit der ich sprechen kann, die mich anhört und mir antwortet: sie ist wirklich das Prinzip, um die Welt zu verstehen und den Weg in der Geschichte zu finden.

Wer die Schriften des heiligen Paulus gelesen hat, weiß gut, dass er sich nicht darum bemüht hat, Einzelheiten zu berichten, in denen das Leben Jesu dargestellt würde. Auch wenn wir uns vorstellen können, dass er in seinen Katechesen sehr viel mehr über den vorösterlichen Jesus erzählt hat, als er dann in den Briefen aufschrieb, die Ermahnungen für ganz konkrete Situationen sind.

Sein pastorales und theologisches Anliegen war derartig auf die Erbauung der entstehenden Gemeinden ausgerichtet, dass er spontan alles in der Verkündigung Jesu Christi als des „Herrn“ konzentrierte, der jetzt lebendig und jetzt mitten unter den Seinen gegenwärtig ist.

Daher die charakteristische Wesentlichkeit der paulinischen Christologie, welche die Tiefen des Geheimnisses verbunden mit einer unablässigen und genauen Sorge entfaltet.

Gewiss, der lebendige Jesus soll verkündet werden, seine Lehre, aber vor allem die zentrale Wirklichkeit seines Todes und seiner Auferstehung: als Höhepunkt seines irdischen Daseins und Wurzel der folgenden Entwicklung des gesamten christlichen Glaubens, der ganzen Wirklichkeit der Kirche.

Für den Apostel ist die Auferstehung kein in sich ruhendes, vom Tod abgetrenntes Ereignis. Der Auferstandene ist immer derjenige, welcher vorher gekreuzigt worden ist. Auch als Auferstandener trägt er seine Wunden: das Leiden ist in ihm gegenwärtig, und man kann mit Pascal sagen, dass er bis zum Ende der Welt leidet, obwohl er der Auferstandene ist und mit uns und für uns lebt.

Diese Identität des Auferstandenen mit dem gekreuzigten Christus hatte Paulus in der Begegnung auf dem Weg nach Damaskus begriffen: in jenem Moment offenbarte sich ihm mit Deutlichkeit, dass der Gekreuzigte der Auferstandene und der Auferstandene der Gekreuzigte ist, der zu Paulus sagt: „Warum verfolgst du mich?“ (Apg 9,4). Paulus verfolgt Christus in der Kirche und versteht dann, dass das Kreuz „eine Verfluchung Gottes“ ist (Deut 21,23), aber Opfer für unsere Erlösung.

Der Apostel betrachtet fasziniert das im Gekreuzigten-Auferstandenen verborgene Geheimnis und geht über das in seiner Menschlichkeit erlittene Leiden Christi (irdische Dimension) zu jener ewigen Existenz zurück, in der Christus ganz eins mit dem Vater ist (vorzeitliche Dimension): „Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und dem Gesetz unterstellt, damit er die freikaufe, die unter dem Gesetz stehen, und damit wir die Sohnschaft erlangen“ (Gal 4,4-5).

Diese beiden Dimensionen, die ewige Präexistenz beim Vater und die Herabkunft des Herrn in der Menschwerdung werden bereits im Alten Testament in der Gestalt der Weisheit angekündigt. Wir finden in den Weisheitsbüchern des Alten Testaments einige Texte, welche die Rolle der Weisheit hervorheben, die im Vergleich zur Schöpfung der Welt präexistent ist.

In diesem Sinne sind Abschnitte wie dieser aus dem Psalm 90 zu lesen: „Ehe die Berge geboren wurden, die Erde entstand und das Weltall, bist du, o Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit“ (V. 2); oder Stellen wie jene, die von der schöpferischen Weisheit sprechen: „Der Herr hat mich geschaffen im Anfang seiner Wege, vor seinen Werken in der Urzeit; in frühester Zeit wurde ich gebildet, am Anfang, beim Ursprung der Erde“ (Spr 8,22-23). Beeindruckend ist auch der Hymnus auf die Weisheit, der sich im gleichnamigen Buch findet: „Machtvoll entfaltet die Weisheit ihre Kraft von einem Ende zum andern und durchwaltet voll Güte das All“ (Wht ,1).

Dieselben Weisheitstexte, die von der ewigen Präexistenz der Weisheit sprechen, sprechen auch von der Herabkunft, der Erniedrigung dieser Weisheit, die sich ein Zelt unter den Menschen gebaut hat.

So hören wir bereits die Worte des Evangeliums anklingen, die von dem Zelt des Leibes des Herrn sprechen. Im Alten Testament ist ein Zelt errichtet worden: hier ist der Tempel gemeint, der Kult gemäß der „Thora“.

Gerade aus der Perspektive des Neuen Testaments können wir verstehen, dass dies letztlich eine Urform des weitaus wirklicheren und bedeutsameren Zeltes war: des Zeltes des Leibes Christi.

Wir sehen bereits in den Büchern des Alten Testaments, dass diese Erniedrigung der Weisheit, ihre Herabkunft im Fleisch, auch die Möglichkeit einschließt, abgelehnt zu werden.

Indem der heilige Paulus seine Christologie entfaltet, beruft er sich gerade auf diese Perspektive der Weisheit: er erkennt in Jesus die unvergängliche und seit ewig existierende Weisheit. Die Weisheit, die herabkommt und ein Zelt unter uns aufschlägt; und so kann er Christus als „Gottes Kraft und Gottes Weisheit“ darstellen. So kann er sagen, dass Gott Christus für uns „zur Weisheit gemacht hat, zur Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung“ (1 Kor 1,24.30).

Auf ähnliche Weise erklärt Paulus, dass Christus gleich der Weisheit vor allem von den Machthabern dieser Welt abgelehnt werden kann (vgl. 1 Kor 2,6-9). So wird in den Plänen Gottes eine paradoxe Situation geschaffen: das Kreuz, das zum Weg des Heiles für das ganze Menschengeschlecht werden wird.

Eine weitere Entfaltung dieses Zyklus der Weisheit, innerhalb dessen die Weisheit erniedrigt wird, um dann trotz Ablehnung erhöht zu werden, findet sich im berühmten Hymnus des Briefes an die Philipper (vgl. 2,6-11).

Es handelt sich um einen der anspruchsvollsten Texte des gesamten Neuen Testaments. Die Exegeten stimmen mit großer Mehrheit darin überein, dass diese Perikope eine Auffassung wiedergibt, der dem Text des Philipperbriefes voraus liegt.

Das ist eine Tatsache von großer Wichtigkeit, da dies bedeutet, dass das Judenchristentum vor Paulus an die Gottheit Jesu glaubte.

So ist der Glaube an die Gottheit Jesu mit anderen Worten keine hellenistische Erfindung, die lange nach seinem irdischen Leben entstanden ist; eine Erfindung, die ihn im Vergessen seines Menschseins vergöttlicht hätte. In Wirklichkeit sehen wir, dass das erste Judenchristentum an die Gottheit Christi glaubte. Mehr noch: wir können sagen, dass die Apostel selbst in den großen Augenblicken des Lebens ihres Meisters verstanden haben, dass er der Sohn Gottes war, wie der heilige Petrus in Cäsarea Philippi sagt: „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes!“ (Mt 16,16).

Kehren wir jedoch zum Hymnus des Philipperbriefes zurück. Die Struktur dieses Textes kann in drei Strophen unterteilt werden, in denen die Hauptmomente des von Christus vollbrachten Weges verdeutlicht werden.

Seine Präexistenz wird mit den Worten zum Ausdruck gebracht: „Er war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein“ (V. 6); es folgt dann die freiwillige Erniedrigung des Sohnes in der zweiten Strophe: „Er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave“ (V. 7), bis hin zur Selbsterniedrigung, „und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz“ (V.8). Die dritte Strophe des Hymnus kündigt die Antwort des Vaters auf die Erniedrigung des Sohnes an: „Darum hat ihn Gott über alle erhöht und ihm den Namen verliehen, der größer ist als alle Namen“ (V. 9).

Was auffällt ist der Kontrast zwischen der radikalen Erniedrigung und der folgenden Verherrlichung in der Glorie Gottes. Es ist offensichtlich, dass diese zweite Strophe im Gegensatz zum Anspruch Adams steht, der sich selbst zu Gott machen wollte. Sie steht auch im Gegensatz zur Initiative der Erbauer des Turms von Babel, die autonom die Brücke zum Himmel errichten und sich selbst zu Gottheiten machen wollten.

Aber dieses Unternehmen des Stolzes endete mit der Selbstzerstörung: nicht so gelangt man zum Himmel, zum wahren Glück, zu Gott. Das Zeichen des Gottessohnes ist das genaue Gegenteil: es ist nicht der Stolz, sondern die Demut, die Verwirklichung der Liebe ist, und die Liebe ist göttlich.

Die Tat der Erniedrigung, der radikalen Demut Christi, mit der er sich dem menschlichen Stolz widersetzt, ist wirklich Ausdruck der göttlichen Liebe; ihr folgt die Erhöhung in den Himmel, zu der uns Gott mit seiner Liebe zieht.

Neben dem Brief an die Philippper gibt es andere Stellen der paulinischen Literatur, an denen die Themen der Präexistenz und der Herabkunft des Sohnes Gottes auf die Erde miteinander verbunden sind.

Eine erneute Behauptung über die Angleichung zwischen Weisheit und Christus, mit allen damit verbundenen kosmischen und anthropologischen Folgen, findet sich im ersten Brief an Timotheus: „Er wurde offenbart im Fleisch, gerechtfertigt durch den Geist, geschaut von den Engeln, verkündet unter den Heiden, geglaubt in der Welt, aufgenommen in die Herrlichkeit“ (3,16). Vor allem auf der Grundlage dieser Prämissen kann die Funktion Christi als des einzigen Vermittlers vor dem Hintergrund des einen Gottes des Alten Testaments definiert werden (vgl. 1 Tim 2,5 in Bezug auf Jes 43,10-11; 44,6). Christus ist die wahre Brücke, die uns zum Himmel führt, zur Gemeinschaft mit Gott.

Und abschließend nur eine Andeutung zu den letzten Entwicklungen der Christologie des heiligen Paulus in den Briefen an die Kolosser und an die Epheser. Im ersten wird Christus als „der Erstgeborene der ganzen Schöpfung“ bezeichnet (1,15-20). Dieses Wort „der Erstgeborene“ impliziert, dass der Erste von vielen Söhnen, der Erste von vielen Brüdern und Schwestern herabgekommen ist, um uns zu sich zu ziehen und aus uns seine Brüder und Schwestern zu machen.

Im Brief an die Epheser finden wir eine schöne Darstellung des göttlichen Heilsplanes, wenn Paulus sagt, dass Gott in Christus alles zusammenfassen wollte (vgl. Eph 1,23). Christus ist die Zusammenfassung von allem, er vereinigt alles und führt uns zu Gott. Und so ist damit für uns eine Bewegung des Herabstiegs und des Aufstiegs verbunden, indem er uns einlädt, an seiner Demut Anteil zu haben, das heißt: an seiner Liebe zum Nächsten, um so auch an seiner Verherrlichung teilzuhaben und mit ihm Söhne im Sohn zu werden. Bitten wir darum, dass der Herr uns helfe, seiner Demut, seiner Liebe gleich zu werden, um auf diese Weise an seiner Vergöttlichung Anteil zu haben.

[deutsche Zusammenfassung:]

Liebe Brüder und Schwestern!

In den vergangenen Katechesen haben wir uns mit der Bekehrung des Apostels Paulus sowie mit seinem Verhältnis zur Gemeinschaft der Kirche und zur historischen Gestalt des Jesus von Nazareth befasst. Heute wenden wir uns der Lehre des Völkerapostels über die zentrale Rolle des auferstandenen Christus im Geheimnis unserer Erlösung zu. Paulus will in seinen Schriften und in seiner Predigt das Wesentliche verkünden: Christus ist am Kreuz gestorben und auferstanden, um uns zu erlösen. Diese Kernaussage unseres Glaubens kann jedoch nur auf dem Hintergrund der ewigen Existenz des Sohnes – an der Seite des Vaters und ganz eins mit dem Vater – in ihrer Tiefe verstanden werden. Was im Alten Testament bereits im Bild der Weisheit Gottes vorgezeichnet war, die in die Welt eintritt und dort Ablehnung erfährt, beschreibt Paulus im berühmten Hymnus des Philipperbriefs: Christus war Gott gleich, doch er entäußerte sich, wurde den Menschen gleich und war gehorsam bis zum Tod am Kreuz. Darum hat Gott ihn über alle erhöht, und jeder Mund bekennt: „Jesus Christus ist der Herr“ (vgl. Phil 2,6-11). In diesem Heilsplan Gottes sind wir Menschen und die ganze Schöpfung nicht unbeteiligte Zuschauer, sondern Christus ist der Erstgeborene, an dessen Wesen und Gestalt wir teilhaben sollen (vgl. Röm 8,29), bis er das All ganz und gar beherrscht (vgl. Eph 1,23)."

 

"Wir sind Tempel Gottes!"

Katechese während der Generalaudienz am 15. Oktober 2008

"Liebe Brüder und Schwestern!

In der Katechese vom vergangenen Mittwoch habe ich über die Beziehung des Paulus zum vorösterlichen Jesus zu dessen Lebzeiten gesprochen. Die Frage lautete: „Was hat Paulus vom Leben Jesu, von seinen Worten, von seinem Leiden gewusst?“ Heute möchte ich von der Lehre des heiligen Paulus über die Kirche sprechen.

Wir müssen mit der Feststellung beginnen, dass das italienische Wort für „Kirche“ – „Chiesa“ –, wie „Église“ im Französischen und „Iglesia“ im Spanischen, vom griechischen Wort „ekklçsía“ abstammt! Es kommt aus dem Alten Testament und bedeutet „Versammlung“ des Volkes Israel; eine Versammlung, die Gott einberufen hat, und insbesondere die vorbildliche Versammlung zu Füßen des Berges Sinai. Mit diesem Wort ist jetzt die neue Gemeinschaft der Christgläubigen gemeint, die sich als Versammlung Gottes fühlen; die neue Einberufung aller Völker durch Gott und vor ihm.

Das Wort „ekklçsía“ erscheint nur bei Paulus, der der erste Verfasser einer christlichen Schrift ist. Dies geschieht in der Einleitung des ersten Briefes an die Thessalonicher, wo sich Paulus wortwörtlich „an die Gemeinde [„ekklçsía“] von Thessalonich“ wendet (vgl. dann auch „die Gemeinde [„ekklçsía“] von Laodizea“ in Kol 4,16). In anderen Briefen spricht er von der Kirche Gottes, die in Korinth (1 Kor 1,2; 2 Kor 1,1) beziehungsweise in Galatien ist (1 Gal 1,2 usw.) – Teilkirchen also –, aber er sagt auch, dass er „die Kirche Gottes“ verfolgt habe: nicht eine bestimmte Ortsgemeinschaft, sondern „die Kirche Gottes“.

So sehen wir, dass diesem Wort „Kirche“ eine mehrdimensionale Bedeutung zukommt: Es bedeutet einerseits die Versammlungen Gottes an bestimmten Orten (in einer Stadt, einem Dorf, einem Haus); es bedeutet aber auch die Kirche in ihrem Ganzen. Und so sehen wir, dass „die Kirche Gottes“ nicht nur eine Summe von verschiedenen Ortskirchen ist, sondern dass die verschiedenen Ortskirchen ihrerseits Verwirklichungen der einen Kirche Gottes sind. Alle zusammen sind „die Kirche Gottes“, die den einzelnen Ortskirchen vorausgeht und in ihnen zum Ausdruck kommt, sich in ihnen verwirklicht.

Es ist wichtig anzumerken, dass das Wort „Kirche“ fast immer mit der qualifizierenden Hinzufügung „Gottes“ vorkommt: Es handelt sich nicht um einen menschlichen Verein, der aus gemeinsamen Ideen oder Interessen entstanden ist, sondern um eine Einberufung Gottes. Er hat sie zusammengerufen, und deswegen ist sie eine einzige – in all ihren Verwirklichungen. Die Einheit Gottes schafft die Einheit der Kirche an allen Orten, an denen sie sich befindet.

Später wird Paulus im Brief an die Epheser ausführlich auf den Begriff der Einheit der Kirche in Kontinuität mit dem Begriff des Volkes Gottes, des Volkes Israels, eingehen, das von den Propheten als „Braut Gottes“ betrachtet und dazu berufen worden war, ein bräutliches Verhältnis mit ihm zu leben. Paulus stellt die eine Kirche Gottes als „Braut Christi“ in der Liebe vor, die in Christus selbst ein Leib und ein Geist ist.

Es ist bekannt, dass der junge Paulus ein erbitterter Gegner der neuen Bewegung war, die die Kirche Christi bildete. Er war ihr Gegner, da er in dieser neuen Bewegung eine Bedrohung für die Treue zur Überlieferung des Volkes Gottes sah, das vom Glauben an den einen Gott beseelt war. Diese Treue kam vor allem durch die Beschneidung, die Beachtung der Regeln der kultischen Reinheit, der Enthaltsamkeit gegenüber gewissen Speisen und der Einhaltung des Sabbats zum Ausdruck. Diese Treue hatten die Israeliten in der Zeit der Makkabäer mit dem Blut der Märtyrer bezahlt; in einer Zeit, als das hellenistische Regime alle Völker dazu verpflichten wollte, sich der hellenistischen Kultur zu fügen.

Viele Israeliten verteidigten die Berufung, die Israel zu Eigen war, mit ihrem Blut. Die Märtyrer bezahlten für die Identität ihres Volkes, die durch alle diese Elemente zum Ausdruck kam, mit ihrem Leben.

Nach seiner Begegnung mit dem auferstandenen Christus verstand Paulus, dass die Christen keine Verräter waren. Im Gegenteil: Der Gott Israels hatte in der nun neuen Situation durch Christus seinen Ruf auf alle Völker ausgeweitet und wurde so zum Gott aller Völker. Auf diese Weise verwirklichte sich die Treue zum einen Gott. Das durch die besonderen Normen und Regeln Kennzeichnende war nicht mehr notwendig, da nun alle in ihrer Verschiedenheit dazu berufen waren, in Christus Teil des einen Volkes Gottes, der „Kirche Gottes“ zu sein.

Etwas war Paulus in der neuen Situation sofort klar: Der grundlegende und „gründende“ Wert Christi und des „Wortes“, mit dem er verkündigt wurde. Paulus wusste, dass man nicht nur nicht aus Zwang zum Christen wird, sondern dass in der inneren Gestaltung der neuen Gemeinschaft die institutionelle Komponente unvermeidlich an das lebendige „Wort“ gebunden war, an die Verkündigung des lebendigen Christus, in dem sich Gott allen Völkern öffnet und sie zu einem einzigen Volk Gottes eint.

Es ist bezeichnend, dass Lukas in der Apostelgeschichte mehrmals, auch in Bezug auf Paulus, den Ausdruck „das Wort verkünden“ verwendet (Apg 4,29.31; 8,25; 11,19; 13,46; 14,25; 16,6.32). Offensichtlich hat er die Absicht, die entscheidende Tragweite des „Wortes“ der Verkündigung besonders hervorzuheben. Konkret ist dieses Wort das Kreuz und die Auferstehung Christi, in denen sich die Schrift erfüllt hat.

Das Ostergeheimnis, das die Wende seines Lebens auf dem Weg nach Damaskus verursacht hat, steht selbstverständlich im Mittelpunkt der Verkündigung des Apostels (vgl. 1 Kor 2,2;15,14). Dieses im Wort verkündete Geheimnis erfüllt sich in den Sakramenten der Taufe und der Eucharistie, und wird dann in der christlichen Nächstenliebe Wirklichkeit. Das Werk der Evangelisierung des Paulus hat keinen anderen Zweck als den, die Gemeinde der Christgläubigen aufzubauen. Diese Idee gehört zur Etymologie des Wortes „ekklçsía“, das Paulus und mit ihm das ganze Christentum gegenüber dem Wort „Synagoge“ den Vorzug gegeben hat. Nicht nur, weil das erste ursprünglich „säkularer“ ist (da es von der griechischen Praxis der politischen und nicht im eigentlichen Sinne religiösen Versammlung abstammt), sondern auch, weil es direkt die theologischere Vorstellung einer Berufung „ab extra“ einschließt, nicht also jene einer einfachen Zusammenkunft: Die Gläubigen sind von Gott gerufen, der sie in einer Gemeinschaft versammelt, seiner Kirche.

In dieser Linie können wir auch den ursprünglichen und ausschließlich paulinischen Begriff der Kirche als „Leib Christi“ verstehen. Dazu müssen die beiden Dimensionen dieses Begriffs beachtet werden. Eine ist soziologischer Natur. Nach ihr setzt sich der Leib durch seine Bestandteile zusammen und kann ohne sie nicht existieren. Diese Interpretation kommt im Brief an die Römer und im ersten Brief an die Korinther vor, wo Paulus ein Bild aufnimmt, das es bereits in der römischen Soziologie gab: Er sagt, dass das Volk wie ein Leib ist, der verschiedene Gliedern hat und von denen jedes einzelne eine besondere Funktion ausübt. Alle aber, sogar das kleinste und dem Anschein nach bedeutungsloseste, sind notwendig, damit der Leib leben und seine Aufgaben erfüllen kann.

Angemessenerweise bemerkt der Apostel, dass es in der Kirche viele Berufungen gibt: Propheten, Apostel, Lehrer, einfache Menschen. Sie alle sind dazu berufen, Tag für Tag die Liebe zu leben. Alle sind sie notwendig für den Aufbau der lebendigen Einheit dieses geistlichen Organismus.

Die andere Interpretation bezieht sich auf den Leib Christi. Paulus sagt, dass die Kirche nicht nur ein Organismus ist, sondern dass dieser wirklich zum Leib Christi wird – in der Eucharistie, in der wir alle seinen Leib empfangen und wirklich zu seinem Leib werden. So verwirklicht sich das bräutliche Geheimnis, dass alle ein Leib und ein Geist in Christus werden. So geht die Wirklichkeit weit über das soziologische Bild hinaus und bringt auf diese Weise ihr wahres und tiefes Wesen zum Ausdruck, das heißt die Einheit aller Getauften in Christus, die der Apostel als „eins“ in Christus betrachtet, dem Sakrament seines Leibes gleichgestaltet.

Wenn Paulus so spricht, zeigt er, dass er wohl weiß und es uns alle verstehen lässt, dass die Kirche nicht ihm und nicht uns gehört. Die Kirche ist der Leib Christi, sie ist „Gottes Kirche“, „Gottes Ackerfeld, Gottes Bau… Gottes Tempel“ (1 Kor 3,9.16).

Die letzte Bezeichnung ist besonders interessant, da sie einem Geflecht zwischenmenschlicher Beziehungen einen Begriff zuweist, der gewöhnlich dazu diente, einen für heilig erachteten physischen Ort anzuzeigen. Die Beziehung zwischen Kirche und Tempel nimmt daher zwei einander ergänzende Dimensionen an: Einerseits wird auf die kirchliche Gemeinschaft das Merkmal der Abgeschiedenheit und Reinheit angewandt, die dem heiligen Gebäude gebührte; andererseits aber wird auch der Begriff eines materiellen Raumes überwunden, um diese Wertigkeit auf die Wirklichkeit einer lebendigen Glaubensgemeinschaft zu übertragen. Betrachtete man vorher die Tempel als Orte der Gegenwart Gottes, so weiß und sieht man jetzt, dass Gott nicht in Gebäuden aus Stein wohnt, sondern dass der Ort der Gegenwart Gottes in der Welt die lebendige Gemeinschaft der Gläubigen ist.

Eine eigene Überlegung verdiente die Bezeichnung „Volk Gottes“, die sich bei Paulus grundsätzlich auf das Volk des Alten Testaments und dann auf die Heiden bezieht, die „das Nicht-Volk“ waren und auch dank ihrer Eingliederung in Christus durch das Wort und das Sakrament Volk Gottes geworden sind.

Und schließlich eine letzte Nuance: Im Brief an Timotheus bezeichnet Paulus die Kirche als „Hauswesen Gottes“ (1 Tim 3,15), und das ist eine wirklich originelle Definition, da sie sich auf die Kirche als eine Gemeinschaftsstruktur bezieht, in der man herzliche zwischenmenschliche Beziehungen familiärer Natur erlebt. Der Apostel hilft uns, das Geheimnis der Kirche in ihren verschiedenen Dimensionen als Versammlung Gottes in der Welt immer tiefer zu verstehen.

Das ist die Größe der Kirche und die Größe unserer Berufung: Wir sind Tempel Gottes in der Welt, der Ort, an dem Gott wirklich wohnt, und gleichzeitig sind wir Gemeinschaft, Familie Gottes, der die Liebe ist. Als Familie und Haus Gottes müssen wir in der Welt die Liebe Gottes verwirklichen und auf diese Weise mit der Kraft, die aus dem Glauben kommt, Ort und Zeichen seiner Gegenwart sein.

Bitten wir den Herrn, dass er es uns gewähre, immer mehr seine Kirche zu sein; sein Leib, der Ort der Gegenwart seiner Liebe in dieser Welt und in unserer Geschichte.

[deutsche Zusammenfassung:]

Liebe Brüder und Schwestern!

Heute wollen wir uns einem grundlegenden Thema widmen, auf das der Apostel Paulus sein Augenmerk gerichtet hat: die Kirche. Seine Auffassung von Kirche gründet auf persönlicher Erfahrung.

Bei seiner Bekehrung hatte er schon die Kirche als Gemeinschaft vorgefunden. Als erster Autor einer christlichen Schrift, des Ersten Thessalonicherbriefs, prägte er aber maßgeblich den Ausdruck „ekklçsía“ (Versammlung) für die Kirche. Zunächst bedeutet dieser Begriff für ihn die Gemeinde von Gläubigen an einem bestimmten Ort.

In einem zweiten Moment spricht Paulus dann von der gesamten Christenheit als der Kirche Gottes, die ihm wie eine Braut des Bräutigams Christi erscheint. Während sich die örtliche Gemeinschaft aus denjenigen zusammensetzt, die den gleichen Glauben an Christus und an sein lebendiges Wort teilen, wird die Gesamtkirche mehr aus dem Blickwinkel Gottes verstanden. Die „ekklçsía“ ist die Weise, wie der Herr mit den Menschen in Beziehung tritt: nämlich eine Gemeinschaft, die von außen – „ab extra“ – von Gott gerufen wird.

In diesem Sinne benutzt Paulus auch das Bild der Kirche als Leib Christi; es gibt eine mystische Einheit zwischen Christus und denen, die „in ihm" leben. Bei aller Sorge um die von ihm gegründeten Gemeinden weiß Paulus darum, dass die Kirche nicht sein Werk ist. Sie ist ein Tempel Gottes, kein starres Gebäude, sondern ein organisches Ganzes von Menschen, die zu Heiligkeit, Reinheit und Vertrauen berufen sind. Gott ist gegenwärtig, wo die Gläubigen in einer Gemeinschaft der Liebe leben.

[Die deutschsprachigen Pilger grüßte der Heilige Vater mit den folgenden Worten:]

Herzlich grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher, besonders die Gemeinschaft der Marienschule aus Xanten. Der Apostel Paulus hilft uns, das Geheimnis der Kirche besser zu verstehen, die Kirche zu lieben und an ihrem Aufbau verantwortlich mitzuwirken. Er stellt uns die Kirche als Familie vor. Stehen wir den Menschen als Brüder und Schwestern Christi zur Seite. Gott segne euch alle!"

[ZENIT-Übersetzung des italienischen Originals; © Copyright 2008 – Libreria Editrice Vaticana]
 





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